Salzburger Nachrichten am 24. November 2003 - Bereich: kultur
Übermalte Heilige

Die diesjährige Biennale für sakrale Kunst in Venedig ist dem Österreicher Arnulf Rainer gewidmet. Dieser hat Bilder von Christus, Heiligen und Engeln übermalt.

GUDRUN WEINZIERL

VENEDIG (SN).

Angelo Scola, der Patriarch von Venedig, lud am Samstagabend zur Eröffnung der "Arte Sacra", der XI. Biennale christlicher Kunst, die jeweils im Zweijahresrhythmus im Spätherbst im Diözesanmuseum von Venedig zu sehen ist. Nach Markus Lüpertz vor zwei Jahren ist heuer Arnulf Rainer mit großteils neuen Werken vertreten. Ihm wird Mimmo Paladino im Jahr 2005 in einer monografischen Ausstellung folgen.

Die Präsentation mit dem Titel "Sotto la Croce" (Unter dem Kreuz) ist heuer Rainers zweite Ausstellung in Venedig. Im Frühsommer war er mit Canova-Übermalungen im Museum Correr in einen Diskurs zur kühlen Bildsprache klassizistischer Bildhauerei getreten.

Mit den 36 Werken der Schau des Museo Diocesano d'Arte Sacra greift Rainer in die christliche Tradition ein. Übermalte Christusbilder, Kreuze, Madonnen, Engel und Heilige wurden von den Kuratoren Friedhelm Mennekes und Enzo Di Martino ausgewählt.

Wie kein anderer rezipiert Rainer die Kunstgeschichte, sie ist ihm permanenter Anlass zur Arbeit. Sie "liefert" ihm die Vorgaben der in Venedig ausgestellten Werke: den orthodoxen Pantokrator, die romanische Madonna, die gotische Kreuzigungsdarstellung, aus der Kirche Ostroms oder der Frührenaissance den hieratischen Engel.

Rainer gelte im Umgang mit dem Sakralen als herausragender zeitgenössischer Künstler, sagt Pater Friedhelm Mennekes als Kurator und Leiter der Kunststation St. Peter in Köln. Er habe im Fühlbarwerden des Mystischen und des religiös bedingten, existenziellen Ringens einen weiten Bogen gespannt: vom schwarzen Zumalen vergangener Jahrzehnte, das als Metapher für religiöses Sehen stehen kann, bis zu den frischen, lebendigen Arbeiten des Jahres 2003.

Obwohl innerhalb seines riesigen OEuvres nur wenige Werke für sakrale Räume bestimmt sind, ist für Rainer die Auseinandersetzung mit dem Sakralen ein Schwerpunkt, aus dem sich Übermalung und Kreuzform als lebensbegleitende Dimensionen abgeleitet haben.

Das Kreuz begleitet Rainer seit Beginn seines künstlerischen Schaffens. Formal taucht es in den Zentralisationen Anfang der 50er Jahre auf. Thematisch tritt es seit den Kruzifikationen ebenfalls seit einem halben Jahrhundert kontinuierlich in Erscheinung, vielen monochromen Übermalungen legte Rainer die Kreuzform zu Grunde. Die großen Kreuze - Öl auf Holz - der 90er Jahre sind farbig: Blau, Gelb, Rot und Violett sind vorherrschende Werte.

Diese Farben, und nur mehr wenig Schwarz, konturieren, überziehen und verschleiern nun auch die in Venedig gezeigten Madonnen, Christusbildnisse, Heiligen und Engel. Der Künstler stößt in ihnen dem Bewusstsein neue Räume auf, er leistet eine Öffnung zu kurzen Ausblicken auf ein Gegenüber, das zum Gegenstand einer Befragung geworden ist.

Museo Diocesano d'Arte Sacra, San Marco, Ponte della Canonica 4312, Venezia, geöffnet bis 31. Jänner 2004, 10.30 bis 12.30 und 15.30 bis 19.00 Uhr.