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11.09.2002 - Ausstellung
Ausstellung: Erich Lessing im Palais Harrach
Erich Lessing, den großen österreichischen Photoreporter, würdigt das Kunsthistorische Museum im Palais Harrach mit einer überbordenden Ausstellung - und vor allem mit einem prächtigen Katalogbuch.
VON ALMUTH SPIEGLER


Eine ärmliche Frau blickt nachdenklich in eine Auslage mit feiner Unterwäsche - nicht nur die Schaufensterscheibe trennt sie von den Luxusgütern. Ostberlin, 1958. Zwei Jahre später, in Paris, probiert Hollywood-Star Vivienne Leigh mit ausdruckslosem Blick eine kostbare Robe des Modeschöpfers Pierre Balmain. Kommentarlos reiht sich im Palais Harrach eine historische Photographie an die nächste. 350 Stück sind es, alle in Schwarzweiß. An jedem einzelnen hängen Schicksale, Tragödien, Anekdoten - alle sind sie jedoch überschattet von den Wirren der Nachkriegszeit.

Aufgenommen wurden sie von einem der großen österreichischen Photographen, Erich Lessing (79), den das Kunsthistorische Museum mit dieser Ausstellung ehrt. "Vom Festhalten der Zeit" erzählt diese Auswahl der besten Arbeiten des Photoreporters aus den Jahren 1948 bis 1973.

Lessings eigene Biographie steht für die Zeit davor: 1923 als Sohn einer jüdischen Familie in Wien geboren, mußte er mit 16 Jahren nach Palästina emigrieren. Seine Mutter blieb zurück, starb in Auschwitz, seine Großmutter in Theresienstadt. Als er 1947 nach Wien zurückkehrte, begann er bei der US-Nachrichtenagentur Associated Press als Photoreporter. Der Weg war klar und ging an die Spitze: Lessing trat der elitären Photo-Kooperative Magnum bei, veröffentlichte in "Life", "Paris Match", "Heute", "New York Times".

Seine Jagd nach dem richtigen Augenblick führte ihn quer durch Europa, von Gipfelkonferenz zu Friedenskonferenz, von Revolten zu Unruhen bis hin zu kulturellen Ereignissen. Berühmt wurde er für seine bedrückenden Aufnahmen des kommunistischen Europa, besonders für die Bilder von Angst und Leiden während der ungarischen Revolution 1956.

Rückzug zur Kunst

Frustriert darüber, daß die Macht der Bilder eine papierene ist, zog er sich nach seinen Erlebnissen in Ungarn immer mehr aus dem aktuellen Geschehen zurück und widmete sich v. a. der Kunstgeschichte. Ein Video in der Schau gibt einen - leider recht wirren - Eindruck von Lessings Photographien für Kunstbücher.

Für die übrigen Räume im Palais Harrach hatte der Kurator Alistair Crawford die schwierige Aufgabe, aus einem Archiv von 30.000 Photos zu wählen. Er ordnete die Bilderflut nach Themen, die gelungen die Vielfalt bändigen. Neben geschichtsträchtigen Aufnahmen von Verwüstung und Wiederaufbau finden sich auch heitere Zeitdokumente wie die erste Wahl einer Schönheitskönigin in Polen 1956.

Die Lust am Schauen wird einem allerdings durch die schlampige Gestaltung verdorben: Zu sehen sind durchwegs Computerausdrucke, was Lessing nicht stört, sieht er sich doch nicht als Künstler und findet die Qualität der Drucke ausreichend. Aber teils schiefe Beschriftungen und vereinzelte Druckfehler sind eines so peniblen Auges wie Lessings nicht würdig. Was bleibt, ist das prächtige Katalogbuch.

Bis 13. 10., täglich 10-18 Uhr. Der Katalog (690 Abb.) ist im Verlag Christian Brandstätter erschienen.



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