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Edler Hausrat aus der Zeit um 1900

Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) feiert den 100. Geburtstag der Wiener Werkstätte
mit einer großen Aus-
stellung.

Von REGINA DOPPELBAUER

WIEN. Die Schau ist so riesig, dass in der Fülle von mehr als 1200 Objekten die Exklusivität des einzelnen relativiert wird. 1903 wurde die Wiener Werkstätte von Josef Hoffmann, Koloman Moser und dem Mäzen Fritz Wärndorfer gegründet. Englische Vorbilder standen Pate bei dem Vorhaben, das Kunstgewerbe zu erneuern. Den erstarrten Formen des Historismus sollten Eleganz, Schlichtheit und Sachlichkeit entgegengestellt werden.
Unter der Dachmarke "Wiener Werkstätte" wurden Objekte aller Bereiche - Möbel, Porzellan, Glas, Mode - direkt an den Käufer gebracht. Der innige Kontakt zwischen Publikum, Entwerfer und Handwerker sollte im Zeitalter der Industrialisierung und Massenproduktion wieder hergestellt werden.

Dem ambitionierten Unternehmen fehlte es von Anfang an - trotz großbürgerlicher Klientel - an beständigem finanziellen Erfolg. Phasen der Expansion - es kam zur Gründung von Filialen in Karlsbad, Marienbad, Zürich, New York oder Berlin - wechselten mit Krisen. Die Umorientierung nach dem Ersten Weltkrieg, die den Wandel vom elitären Objekt hin zu dem außerhalb der Werkstätten in großen Stückzahlen produzierten Gegenstand bedeutete, führte nicht zur Stabilisierung. 1932 wurde die Wiener Werkstätte geschlossen.

Das MAK, im Besitz des über 15.000 Objekte umfassenden Archivs der Wiener Werkstätte, hat in sehr kurzer Vorbereitungszeit eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die das Material - vom Möbel bis zum Kleid - dem Besucher selbst zur Bewertung überantwortet.

Heimo Zobernigs Ausstellungsarchitektur besteht aus monumentalen Vitrinen, die auf dem Grundriss des Monogramms der Wiener Werkstätten, zwei ineinander geschobenen "W" basieren. Die Objekte, darin annähernd chronologisch gereiht und vorsätzlich unhierarchisch platziert, sollen für sich selbst sprechen.
Das Archivmaterial ist, örtlich getrennt, in umlaufenden Vitrinen ausgebreitet. Nun lädt eine solche Präsentation, die sich kunsthistorischer Wertungen enthält, tatsächlich zu unbefangenem "Window Shopping", zu vergleichendem Flanieren ein und ist durchaus eine Freude für das Auge. Sie verspielt aber ihr Potenzial an aufklärerischen Möglichkeiten, wenn sie darauf verzichtet, den Besuchern Fragen und Statements auf den Rundgang mitzugeben.

Dass es deren zur Genüge gäbe, beweisen allein schon die den Katalog einleitenden Essays. Eine exakte Chronologie der Ereignisse, dicht bebildert, macht ihn zu einem Nachschlagewerk ersten Ranges.
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MAK-Ausstellungshalle, Weiskirchnerstraße 3, Wien; bis 7. März, Dienstag 10 bis 24 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr.
2003-12-28 16:19:00