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vom 04.10.2007 - Seite des
Ateliers: Spezielle Orte der Kunst

Das leergeräumte Atelier gilt nach wie vor als Synonym für den künstlerischen Erfolg - doch an diesen speziellen Orten der Kunst verbirgt sich noch viel mehr.

VON MARTIN HOCHLEITNER

Mich interessieren Ateliers. Durch eine umtriebige Zeichenlehrerin in der Schulzeit, Neugierde während des Kunstgeschichtestudiums und den späteren Beruf in der Kulturabteilung beziehungsweise der Landesgalerie konnte ich in den letzten Jahren sehr viele Künstlerinnen und Künstler in ihren Ateliers besuchen.

Grundsätzlich sind Ateliers ein oder mehrere Arbeitsräume, die sich ganz unterschiedlich mit anderen Funktionen verschränken können. Ateliers sind oft auch Lager, Präsentationsort, Wohnbereich, Büro, Bibliothek und vieles mehr.

Jedes Atelier besitzt seine eigene Größe, Lage, Atmosphäre und Stimmung sowie Funktionalität. Dabei sind die wenigsten Ateliers tatsächlich als solche geplant und gebaut worden.

So kommt man in ganz normale Wohnungen, Keller, Dachböden, aufgelassene Geschäftslokale, Fabriken, Container, Werkstätten, Gartenhäuser, Hallen und Lofts.

In den seltensten Fällen hat dabei die Art des Ateliers mit der Qualität der dort produzierten Kunst zu tun.

Ganz unterschiedlich ist auch der jeweilige Eindruck: Meditative Stimmungen in Ateliers gehören ebenso zu meinen Erfahrungen wie Betriebsamkeit durch Assistentinnen und Assistenten sowie laufende Anrufe - das leergeräumte Atelier gilt ja nach wie vor als Synonym für den künstlerischen Erfolg.

Wie jeder andere berufliche und private Lebensraum verraten Ateliers auch viel über ihre Benutzerinnen und Benutzer. So ist mir das Atelier auch ein wichtiger Erfahrungsort von Künstlerinnen und Künstlern geworden.

Das Atelier bestimmt meine Werkerfahrung und Kunstrezeption, zumal man de facto auch mehr Ateliers als Ausstellungen besucht und sich gleichzeitig länger in Ateliers als in Galerien bzw. Museen aufhält.

Ein Thema der Kunst

Unabhängig von der Kunst- und Werkform ist das Atelier ein Ort, der mit der künstlerischen Arbeit untrennbar verbunden ist - egal ob ein Konzept entwickelt oder ein Bild gemalt wird. Raumhöhe, Türöffnung und Stiegenhaus sind Faktoren, die u. a. auch die Größe einer Leinwand bestimmen können.

Inszenierung?

Auch spürt man relativ rasch, ob Räume authentisch genützt werden oder stärker einer Inszenierung folgen.

Bilder des opulent ausstaffierten Ateliers von Hans Makart im 19. Jahrhundert gehören ebenso wie die Beschreibungen von Andy Warhols "Factory" zu fixen Vorstellungen von Ateliers in der Kunstgeschichte. Gerade die Kunst des 20. Jahrhunderts hat diese Ateliers jedoch auch in Frage gestellt.

Die Kritik an tradierten Vorstellungen von Kunst und am Festhalten von klassischen Kunstgattungen wie Malerei, Zeichnung und Skulptur hat im Sog der Institutionskritik auch das Atelier an sich in Frage gestellt. Gleichzeitig war das Atelier jedoch auch immer ein Thema der Kunst.

So arbeitete schon in den 1930er Jahren Kurt Schwitters an einem Atelier als fantastischer Raumkonstruktion. Sein leider kriegszerstörter "MERZbau" wurde in den 1970er Jahren von Harald Szeemann zu einem Brennpunkt der Moderne erklärt, in dessen Tradition international renommierte Künstler wie Lois Renner und Gregor Schneider nach wie vor arbeiten. Auch sind Ateliers ein beliebtes Thema für verschiedenste fotografische Projekte.

Selbst überzeugen

Atelierbesuche waren mir in den letzten 20 Jahren vielfach Freude, selten Pflicht. Manchmal blieb eine Tür auch verschlossen.

Die seit 1983 vom Land Oberösterreich organisierten "Tage des offenen Ateliers" bieten dank der Mitwirkung und Bereitschaft so vieler Künstlerinnen und Künstler großartige Möglichkeiten, eine Vielzahl an Ateliers zu besuchen. Es zahlt sich aus - überzeugen Sie sich selbst!

Der geborene Salzburger Martin Hochleitner studierte Klassische Archäologie und Kunstgeschichte in Salzburg. Von 1993 bis 2000 leitete er die Förderungsbereiche Bildende Kunst, Foto/Film und Neue Medien am Institut für Kulturförderung des Landes Oberösterreich. Von 1993 bis 2000 war er gemeinsam mit Peter Assmann Kurator der Galerie im Stifterhaus in Linz.

Seit 1995 ist Hochleitner Lehrbeauftragter für Kunstgeschichte an der Kunstuniversität Linz, seit 2005 Lehrbeauftragter am Institut für Kunstwissenschaften und Philosophie der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz. Seit 2000 ist Martin Hochleitner Leiter der Landesgalerie Linz.


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