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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
03. August 2009
17:57 MESZ

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Bis 13. 9.

 

Pawel Ksiazek und einer seiner anonymen Performer: "N.N.26" (2009).


Initiationsriten der Nomen Nescio
Salzburger Kunstverein: Pawel Ksiazek konfrontiert Bilder jugendlicher Exzesse mit jenen der Performancekunst

Salzburg - Völlig erledigt hängt er wäschekluppendekoriert und mit einem Kübel auf dem Kopf über dem Bartresen: ein lächerliches Kostüm und eine ebensolche Pose, eine Begleiterscheinung pubertären "Komasaufens". In Bild und Video verewigt finden sich die denunzierenden Dokumente solcher Exzesse - sogenannte "Trinkpornos" - in Internetforen mit Namen wie "Ich glühe härter vor, als du Party machst!" oder ganz einfach auf Youtube. Online gestellt wird das Material solcher moderner Initiationsriten von den zweifelhaften Helden selbst oder deren "Freunden". Zugreifen kann dann jeder. 

So auch der polnische Künstler Pawel Ksiazek (geb. 1973): Er arbeitet nicht zum ersten Mal mit Fotos aus dem Internet. Für seine aktuelle Serie N.N. vs Artists (N.N. für nomen nescio) hat er Material zu zweifelhaften Alkoholorgien und anderen "bewusstseinserweiternden" Praktiken anonymer Darsteller im Netz recherchiert. Details daraus macht er zu Motiven seiner überwiegend kleinformatigen Leinwände. Die mit Ketchup verschmierten oder mit Bierdosen und Pokalen zum Stillleben komponierten Alkoholleichen gehören aber noch zur leichten Kost des dokumentierten Über-die-Stränge-Schlagens. Ärger sind die komatös hinweggedämmerten Mädchen, arrangiert in sexuellen Kontexten - etwa mit benutztem Kondom im Haar und einer zum Cunnilingus-Motiv drapierten Flasche. Weitaus verstörender die Motive von Selbstverletzung und -verstümmelung mit Rasierklingen oder Zigaretten. Oder von eindeutig sado-masochistischen Praktiken, die Folterbilder aus dem Irak zu memorieren scheinen. Auch Bilder von Performances aus den 1960er- und 1970er-Jahren schießen in den Kopf: Der Körper als Material in Arbeiten von Günter Brus über Valie Export bis Ana Mendieta. Ksiazeks bietet sie im Eck seiner reduzierten, aber starken Personale als "Referenz" an.

Ksiazek ist kein Dokumentarist einer zügellosen, sich erbarmungswürdig erniedrigenden Generation Web 2.0, deren Gebaren er mittels Tafelbild adeln wollte. Ksiazek ist Teil jener boomenden antiakademischen Generation polnischer Maler, die in Krakau sehr traditionell ausgebildet wurde und zu der u. a. Wilhelm Sasnal, Marcin Maciejowski und Rafal Bujnowski zählen. Dennoch geht es ihm nicht um die malerische Geste eines Porträtisten - obgleich ihm daran liegt, in N.N. vs Artists den geschändeten und entleibten nomen nescio im Strich der Zeichnung ein Stück Würde zurückzugeben. Vielmehr ist seine aktuelle Arbeit, wie auch seine anderen intensiv recherchierten Projekte zu Themen wie Rassismus oder Depression, eher als konzeptionell zu bezeichnen. 

Sicher verstärkt die pastose, malerische Übersetzung die Szenen, steigert ihren Grad von Expressivität. Dies geschieht jedoch allein im Hinblick auf die gewählten Vergleichsbeispiele der Performancekunst. Wichtig ist jedoch: Bei ihren Grenzüberschreitungen haben die N.N.s keinen Gedanken an ihre Vorbilder verschwendet. Kann im Zusammenhang mit fortschreitender Trivialisierung und Popularisierung bestehender Kunstwerke also tatsächlich noch von Referenz gesprochen werden? (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 4.8.2009)

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