Der österreichische Bildhauer Bruno Gironcoli ist gestern, Freitag, Abend nach langer, schwerer Krankheit in der Wiener Rudolfstiftung gestorben. Das bestätigte seine Witwe Christine Gironcoli. Gironcoli galt als großer Einzelgänger der österreichischen Kunstszene und schuf ein komplexes, irritierendes bildhauerisches Werk mit unverwechselbaren symbolhaften Formen.
Bis 2004 leitete er die Meisterschule für Bildhauerei der Akademie der bildenden Künste in Wien, der er seit 1977 als Nachfolger von Fritz Wotruba vorstand. 1993 erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis, 2003 nahm er an der Biennale in Venedig teil. Gironcoli, am 27. September 1936 in Villach geboren, soll in Wien beigesetzt werden.
Neuinterpretation des Skulptur-Begriffes
Bruno Gironcoli, der nach einer Goldschmiedelehre an der Akademie
für angewandte Kunst in Wien studierte, schuf sich mit
überdimensionalen Skulpturen eine einzigartige Position in der
österreichischen Kunstgeschichte der Nachkriegszeit und beeinflusste
mit seiner radikalen Neuinterpretation des Skulptur-Begriffes eine
Vielzahl von Künstlern.
Nach Material- und Formexperimenten,
bei denen auch Gegenstände des täglichen Lebens integriert wurden,
konzentrierte er sich auf assemblageartigen Skulpturen mit einem
barocken Symbolismus. Auf den ersten Blick erinnern die mit glänzenden
Metallfarben bemalten Objekte an maschinenartige Altäre, an Raumschiffe
aus einer fernen Zeit oder an fantasievolle Streitwägen, die von
menschlichen Leidenschaften erzählen.
Immer wiederkehrende Themen in Gironcolis Skulpturen: das Weibliche,
die Mutter, Geburt, Sex, der Mann, Religion, die Suche nach Glück, das
Scheitern und der Tod. Die Skulpturen lassen oft an organische
Maschinen denken.
Mit Gironcolis Emeritierung musste auch
dringend ein neuer Unterbringungsort für seine überdimensionalen
Skulpturen gefunden werden. Auf dem Areal von Schloss Herberstein in
der Steiermark entstand schließlich ein Gironcoli-Museum. Auch im
Wiener Strabag Haus wurde große Polyesterplastiken Gironcolis
aufgestellt.
Große Einzelausstellungen rar
Große Einzelausstellungen waren angesichts der Größe der Objekte aus
logistischen Gründen rar. Die Anlieferung von 16 Skulpturen nur
innerhalb Wiens für die Ausstellung "Die Ungeborenen" 1997 im Museum
für angewandte Kunst (MAK) konnte nur über 14 Nächte hinweg in
Spezialtransportern erfolgen.
Zur wichtigsten internationalen
Präsentation seiner Arbeiten wurde 2003 die ihm gewidmete Personale im
Österreich-Pavillon der 50. Biennale Venedig. Im Vorjahr hatte die
Wiener Galerie Chobot in einer Ausstellung von Zeichnungen und
Siebdrucken auf einen weniger bekannten Aspekt im Schaffen Gironcolis
hingewiesen.
Gironcoli wurde u.a. mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet.