Timewave Zero/ The Politics of Ecstasy

 

 

 

 

Jan Verwoert

 

 

Grazer Kunstverein
Graz
7.10.2001 - 4.11.2001

 

Drogen? Ihre Verbindung zur Kunst thematisiert die Ausstellung »Timewave Zero/The Politics of Ecstasy« im Grazer Kunstverein. Die Kuratoren Lionel Bovier und Jean-Michel Wicker präsentieren Arbeiten, die eine Entgrenzung der Wahrnehmung zum Gegenstand ästhetischer Erfahrung machen. Den symbolischen Ausgangspunkt der kurzen Genealogie, die die Ausstellung präsentiert, bildet Brion Gysins »Dream Machine«. Gysin entwarf 1961 die Anleitung für diesen Trance-Generator zum Selberbasteln: Man schneide Muster in eine Pappe, rolle sie zusammen, stelle sie auf einen Plattenteller und hänge eine Glühbirne hinein. Stellt man den Plattenspieler an, entstehen durch die drehende Röhre hypnotische Lichtspiele. Einen psychedelischen Effekt produziert auch John Tremblays Malerei »Watery Domestic« (1993). Die weiße Bildfläche ist gefüllt mit blasenförmigen Ovalen, die eine Art minimalistisches Mandala ergeben. Ähnlich organische Formen quellen in Vidya Gastaldons Zeichnung »Hole in my brain« (2001) aus einer schemenhaft erkennbaren Kopfform hervor.
Zwischen den Arbeiten entwickelt sich darüber hinaus ein Diskurs, der weniger um Drogenerfahrungen als vielmehr um die Neudefinition der Oberflächenästhetik kreist. Diese ließe sich so beschreiben: Das postmoderne Bekenntnis zur Äußerlichkeit der »Oberfläche« bedeutete die Absage an einen modernen Subjektbegriff, der auf Konzepte der »Innerlichkeit«, der psychischen Tiefe etc. aufbaut. Mittlerweile ist diese Negation aber einer Resubjektivierung der Oberfläche gewichen. An die Stelle einer Ästhetik der »hard surfaces« tritt eine der »soft surfaces«. Isa Genzkens Skulpturen »Bill I-III« (2001) sind hierfür ein gutes Beispiel: Es handelt sich um drei, mit Spiegeln verkleidete Pfeiler. Zwischen die Spiegel sind Fotos und farbige Streifen collagiert. Auf den Fotos sieht man Salzbrezeln. Durch die Evokation von Essen und Geschmack wird das Moment sinnlicher Erfahrung in die Oberfläche eingeschrieben. Das spielerische Collagieren von Bildern, Farbstreifen und Spiegeln vermittelt eine persönliche Faszination für Schönheit und Glamour. Diese affektive Aufladung macht die opaken Spiegelflächen zu »soft surfaces«.
Im selben Raum befindet sich eine Sandfläche, bei deren Betreten man das Gefühl, hat, am Strand zu spazieren. Den Blick aufs Meer ersetzt eine kleinformatige Wandmalerei von Lisa Beck, ein Muster aus Kreisen in gedeckten Rot- und Gelbtönen. Gläserne Kugeln hängen davor an Drähten von der Decke. Man denkt an klare Luft und ein glückliches Gefühl von Leere stellt sich ein. Diese Stimmung wird intensiviert durch die Soundinstallation »Politics of Ecstasy« (2001) von Sydney Stucki. Ein komplexes Gewebe aus elektronischen Geräuschen und Tönen ist aus vier über die Räume verteilten Lautsprechern zu hören. Die Musik legt sich wie eine Klammer um die Wahrnehmung und trägt einen durch die Ausstellung. Beck und Stucki erzeugen Atmosphären. Sie vermeiden dabei aber das Pathos des Esoterischen durch die Sachlichkeit ihrer Ästhetik. Beck beschränkt sich auf inhaltsleeres Oberflächendesign. Stuckis technoide Soundtextur bleibt konzentriert und klar. Sie lullt nicht ein. Ihre affektive Wertigkeit erhalten die »soft surfaces« der Objekte und Sounds erst in der Erfahrung der BetrachterInnen.
Ihren symbolischen Abschluss findet die Ausstellung im Filmloop »The Jump« (1978) von Jack Goldstein. Projiziert wird der Film auf eine weiße Fläche auf einer mit Schwarzlicht beleuchteten orangefarbenen Wand. Der Loop zeigt einen Turmspringer. Mittels Tricktechnik kopierte Goldstein die Umrisse der Figur aus einem Orginalfilm heraus und füllte sie durch rot glitzernde Punkte aus. Vor einem dunklen Hintergrund dreht sich die Gestalt immer wieder im Salto um die eigene Achse, um sich dann in einem Meer aus Lichtpunkten aufzulösen. Der Springer ist ein Subjekt ohne Tiefe, das nur aus einer schillernden Oberfläche besteht. Er verkörpert so genau das Gefühl, das die Ausstellung vermittelt – ein Gefühl von Leere, das einhergeht mit einer besonderen Form melancholischer Euphorie.

 

   

 

 

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