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dieStandard.at | Alltag | Frauenporträts 
02. April 2002
12:09 MESZ
LINK:
PMB-Museum

BUCHTIPP:
Margret Steenfatt:
"Ich, Paula" -
Die Lebensgeschichte der
Paula Modersohn-Becker
Verlag Beltz&Gelberg, ISBN 3-407-80865-8
 

Archiv

Spät erkanntes Talent
Zur Erinnerung an die Malerin Paula Modersohn-Becker

Zu Lebzeiten kaum gewürdigt, gilt Paula Modersohn-Becker heute als selbstständige Vorläuferin des Expressionismus. Stilleben, Landschaften, Figurenbilder und Bildnisse in verhaltener Expressivität mit flächig aufgebauter Farbgebung zählen zu ihren bevorzugten Motiven.

Die Künstlerin wird am 8. Februar 1876 als Tochter des Eisenbahningenieurs Karl Becker und dessen Frau Mathilde in Dresden geboren. Vom Vater hat sie die Melancholie, von der Mutter den Humor. Zu ihren Eltern hegt sie ein - für damals unübliches - sehr freundschaftliches Verhältnis; besonders zum Vater soll sie lebenslang in Briefkontakt bleiben.
Als Paula zwölf ist übersiedelt die Familie mit den sechs Kindern nach Bremen, wo ihre Mutter, die aus einer Adelsfamilie stammt, gerne Feste gibt, an denen auch die Kinder mit organisieren. Dadurch entwickelt Paula früh ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein - was ihr später in der Gesellschaft manche Probleme bereiten wird.

Erster Zeichenunterricht

1892 fährt die damals 17jährige für ein Jahr zu ihrer Tante nach England, wo sie ersten Zeichenunterricht an der London School of Arts nimmt. Wieder zu Hause muss sie auf Wunsch des Vaters "als Brotberuf" eine zweijährige Lehrerinnenausbildung beginnen, darf jedoch parallel dazu privaten Malunterricht nehmen. Auch einen Kochkurs muss sie besuchen, damit sie ihrem Mann später auch "eine vollwertige Ehefrau" ist.

1896 erlaubt ihr der Vater, nach Berlin zu gehen, um einen Kurs an der Mal- und Zeichenschule des "Vereins der Berliner Künstlerinnen", der Frauen die Möglichkeit zum Kunststudium bietet, zu besuchen. Aus den geplanten sechs Wochen in Berlin werden schließlich zwei Jahre.

Ausflug nach Worpswede

Im Sommer 1897 besucht die begeisterte Kunststudentin erstmals die Künstlerkolonie in Worpswede - ein Dorf am Rande eines großen Moorgebiets, in das sich seit 1889 Künstler wie Fritz Mackensen, Heinrich Vogeler und Otto Modersohn aus Protest gegen die Akademien und die Großstadt zurückgezogen hatten. Paula ist von der Landschaft und dem Leben in der Kolonie so begeistert, dass sie 1898 dorthin übersiedelt.

Sie nimmt Malunterricht bei Mackensen und schließt Freundschaft mit Clara Westhoff und Rainer Maria Rilke. Die bäuerliche Welt und die norddeutsche Landschaft werden zu ihrem Leitmotiv. Paula ist innerlich hin- und hergerissen zwischen dem Leben in der Abgeschiedenheit und dem bunten Treiben in der Welt - eine Ambivalenz, die symptomatisch für das weibliche Freiheitsstreben zu jener Zeit ist.

Bald wird es ihr zu eng in Worpswede und Paula macht sich auf nach Paris, das sie fesselt und bedrückt zugleich. Sie lernt eifrig an der Académie Colarossi und der École des Beaux-Arts, entdeckt ihre Wesensverwandtheit mit dem aufstrebenden Cézanne und sucht unter dem Einfluss der Gemälde van Goghs die "Einfachheit der großen Form". Die Darstellung des "schlichten" Menschen wird ihr in dieser Zeit zu ihrem zentralen Anliegen.

Heirat mit Otto Modersohn

1901. Zurück in Worpswede verlobt sich Paula zunächst heimlich mit dem zehn Jahre älteren Otto Modersohn - von nun an signiert sie mit P.M.B - und heiratet ihn schließlich. Ihr Ehemann gibt ihr die Freiheit, die sie braucht, trotzdem fühlt sich die Künstlerin eingeengt, sodass sie 1905 von Mann und Haushalt wieder für einige Wochen nach Paris flüchtet.

Unter dem Einfluss der französischen Impressionisten entstehen nach ihrer Rückkehr zahlreiche Stilleben - als Künstlerin erhält sie damals aber trotz ihres Könnens nach wie vor keine Anerkennung: Gemeinsam mit ihrem Mann stellt sie 1906 in der Bremer Kunsthalle aus. Die Ausstellung wird von der Öffentlichkeit jedoch kaum beachtet. Die Kritiker lehnen ihre Bilder als hässlich und düster ab; sie verkauft kaum etwas. Zu Lebzeiten werden ihre Werke überhaupt nur auf zwei Ausstellungen gezeigt. Und im dritten Reich wird sie später als "entartetet Künstlerin" diffamiert werden; 70 ihrer Werke verschwinden aus den deutschen Museen.

Trennung, Ehrgeiz - und früher Tod

1906 trennt sich Paula vorübergehend von ihrem Mann und zieht wieder nach Paris, wo sie sich ein Atelier einrichtet und wieder Kurse an der École des Beaux-Arts belegt. Sie fühlt sich über die Maßen wohl und arbeitet hart - in dieser Zeit entstehen viele ihrer schönsten Bilder.
Bei einem Besuch Ottos in Paris wird sie schwanger, sodass sie 1907 zu ihrem Mann nach Worpswede zurückkehrt. Mit 31 Jahren bringt sie ihre Tochter Mathilde zur Welt. Aber nur drei Wochen später, als sie nach der Geburt zum ersten Mal aufstehen darf, stirbt die Malerin am 20.November 1907 an einer Embolie. Erst die Nachwelt wird das Talent der bedeutenden Künstlerin entdecken.

Heute erinnert unter anderem ein eigenes Museum in Bremen an die Malerin. Ihr Werk ist einer der Schwerpunkte der so genannten "Kunstsammlungen Böttcherstraße" und wird dort in Auswahl ständig gezeigt.

Isabella Lechner


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