Präzise Aufnahme eines Überganges
Fotograf Milach stellt in Wien aus
Von Nina Schedlmayer Gespür für den richtigen Augenblick - das
zeichnet den jungen polnischen Fotografen Rafal Milach aus. Seine Bilder
sind noch bis morgen in Wien zu sehen.
In Bytom-Bobrek spielt ein Junge auf der menschenleeren
Straße Fußball. In Gliwice baumeln die Beine einer Person, die offenbar
etwas herausfischen möchte, aus einem Müllcontainer. Und in
Czerwionka-Leschczin leert ein junger Mann (oder ist es noch ein Bursche?)
mit nackten Oberkörper ein Schnapsglas vor dem Hintergrund zweier Türme,
die auf den ersten Blick wie Industriebauten aussehen.
Alltäglich-banale Szenen wie diese hat der junge Fotograf Rafal Milach
in seinen Schwarzweißfotos eingefangen und so in Szene gesetzt, dass sie
eine subtile Dynamik entwickeln. In Oberschlesien aufgewachsen, begann
Milach dort an der Kunstakademie von Katowice zu studieren und
fotografiert seit 2000 kontinuierlich Land und Leute, arbeitet aber auch
als Pressefotograf - im Vorjahr hat er sogar den 2. Platz beim polnischen
Pressefoto-Preis erreicht.
Momente des
Kippens
Milach hat ein Gefühl für den "decisive Moment". Der
Augenblick, den er innerhalb eines Bewegungsablaufs, innerhalb eines
räumlichen Gefüges, mit der Kamera erwischt, sagt mehr aus als der kurz
zuvor und der kurz danach: der Junge auf der Straße hat gerade den Ball
mit dem Fuß weggekickt - sein Körper steht fest am Boden und ist
gleichzeitig in dynamischer Bewegung. Der Mistkübelstierler scheint genau
in diesem Moment kopfüber in den Container zu fallen, und der
Schnapstrinker hat gerade den letzten Schluck genommen. Momente der
Balance sind das, Momente des kurzen Innehaltens vor einer Entscheidung,
Momente des Kippens.
Schlesien in Agonie
In der
kleinen Ausstellung im sympathischen Souterrainraum der KulturAXE am
Esteplatz wird nur ein Teil der Serie "Szare" (Das Graue) gezeigt. Wobei
sich der Titel sowohl auf das Schwarzweiß der Dokumentarfotografien als
auch auf die allgemeine Stimmung in diesem ehemaligen Industriegebiet
beziehen lässt. Wie Milach selbst bemerkt, ist die Landschaft in
Oberschlesien in einem gravierenden Veränderungsprozess: in der Region, in
der früher viele Menschen in Kohleminen beschäftigt waren, bewirkt eine
allgemeine Rezession in der Schwermetallindustrie einen
Beschäftigungsrückgang. "Die Momente des alten, traditionellen, hart
arbeitenden und religiösen Schlesien" wolle er einfangen, so der 1978
geborene Fotograf: Da begegnen uns auch Mädchen im Gänsemarsch, die in den
weißen Kleidern anlässlich ihrer Erstkommunion aussehen wie kleine Bräute.
Oder ein massiver Pferderücken, hinter dem ein Mann eine hölzernen Jesus
zärtlich festhält. Auch wenn sich Milach mit solchen
bedeutungsschweren Themen auseinander setzt, sagt er in seinem ebenfalls
ausgestellten Videoselbstporträt: "In meiner Fotografie ist viel
Trivialität - auch wenn ich hoffe, dass sie nicht zu trivial ist." Gerade
die Trivialität des Alltags zeichnet präzise Bilder, die für den
Übergangszustand dieser ehemaligen Industrieregion vielleicht
symptomatisch sind. *** Ausstellung in der KulturAXE noch bis 28.
5. 2004, Mo.-Fr. 10-18 Uhr, Esteplatz 7, 1030 Wien, Tel 43-1-713/38 08.
Erschienen am: 27.05.2004 |
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