Salzburger Nachrichten am 10. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Kein Spekulieren Werke aus der Sammlung
des Ehepaars Herbert im Grazer Kunsthaus: Erstklassige Arbeiten aus den
Bereichen Arte Povera, Minimal- und Konzeptkunst sind zu sehen.
Martin BehrGraz (SN). Er kniet unter einer gelben Glühbirne in einer
Dachkammer und posiert zwischen (halbfertigen?) Werken mit seinem
Arbeitsgerät: Spiderman in seinem Atelier. Die 1996 entstandene
Installation von Martin Kippenberger, die eine stilisierte Comicfigur als
Kunstschaffenden zeigt, ist einer der Höhepunkte der Freitagabend
eröffneten Ausstellung "Inventur - Werke aus der Sammlung Herbert" im
Grazer Kunsthaus. Spitzenwerke aus den Bereichen Arte Povera, Minimal- und Konzeptkunst
sind auf zwei Stockwerken zu besichtigen. Die in der belgischen Stadt Gent
beheimatete Sammlung von Anton und Annick Herbert fokussiert den Blick auf
international bedeutende Positionen, die weitgehend in einen von 1968 bis
1989 gespannten Zeitrahmen passen. "Wir waren davon besessen, eine
interessante und solide Sammlung aufzubauen und misstrauten der
oberflächlichen Sammlermentalität", erläutert Anton Herbert. Das heißt:
keine Sprunghaftigkeit, kein Schielen nach Schnäppchen, keine spekulativen
Käufe. Anton und Annick Herbert bekennen sich zu Subjektivität, Parteilichkeit
und Qualität und waren stets bemüht, Grenzen zwischen Kunstschaffenden,
Galerien und Sammlern zu negieren. Die von ihnen erworbene Kunst sollte
stets über ein "politisches Profil" verfügen sowie Ausdruck eines von
neuen Denkweisen geprägten Lebensgefühls einer Generation sein. Die Ausstellung namens "Inventur" bringt nicht nur hoch stehende
Qualität unter anderem von Mike Kelley, Gerhard Richter, Bruce Nauman,
Lawrence Weiner oder Joseph Kosuth nach Graz. Sie zeigt auch, wie die
eigentümlich dominanten Räume des Kunsthauses gut bespielt werden können
(das räumliche Gestaltungskonzept ist von Heimo Zobernig und Niels
Jonkhans). Von 39 Kunstschaffenden sind Arbeiten zu sehen, die sich nicht immer
auf den ersten Blick erschließen, deren Erkundung aber Spannung
verspricht. Der großartige Minimalismus eines Andre Cadere wird mit den
Tableaus von Gilbert & George in einen Dialog gesetzt. Die monumentale
Kitsch-Orgie aus der Werkstatt von Mike Kelley erhält ebenso Raum wie die
weiland auf der Biennale von Venedig gezeigte Spiegelbox "Public Space/Two
Audiences" von Dan Graham. Und in der gläsernen Aussichtsplattform des Kunsthauses können Besucher
auf Diwans von Franz West ruhen und auf Graz schauen: eine Alternative für
Weltmeisterschaftsverweigerer. (Bis 3.9.) |