Kunstsinnig
Er schmeckt rosa
Von Claudia Aigner
Eigentlich ist jede Cremetorte kitschig. (Besonders, wenn sie
oben mit schwülstig cremigen, barocken Schnörkeln garniert ist. Oder mit
Marzipanröschen.) Und die Hochzeitstorten erst! Und eine Tasse, aus der
man mit einem Schlagobersbart wieder auftaucht, ist nicht weniger
übertrieben sentimental. Der Kitsch ist eben ein Menschenrecht wie das
Tortenessen und Kakao- und Cappuccinotrinken und das Heiraten. Ohne jetzt
behaupten zu wollen, es gäbe einen "Schmeckkitsch", oder besser: einen
"Gaumenkitsch". Man kann den Kitsch nach wie vor nicht schmecken ("Das
schmeckt aber kitschig"). Wenn überhaupt, dann schmeckt er rosa.
Richtig, dies ist ein Plädoyer für den Kitsch. Nicht, dass er es noch
nötig hätte. Er regiert ja bereits. Wer seinen Kaffee bitterschwarz
trinkt, der werfe das erste Zuckerstück und das erste Sahnehäubchen (äh,
das heißt jetzt aber nichts mehr, oder?) Der Kitsch ist ohnedies
naturgewollt. Man schaue sich nur den rot und orange dahinschmelzenden
Himmel bei Sonnenuntergang an. Oder die lieblich tänzelnden
Schmetterlinge. Und die Künstler bekennen sich ja auch immer unverhohlener
zum Kitsch. Vielleicht kann man gar schon von einer Kunstrichtung
sprechen: vom "Kitschismus". Womöglich für alle Zeiten der Weltmeister in
diesem Ismus, in der Kitschdisziplin, ist eindeutig Jeff Koons, bei dem es
sogar wie Nippes aussieht, wenn er seine unanständigen Gedanken in voller
Lebensgröße Plastik werden lässt, während er also seine ihm damals
angetraute Pornofee Cicciolina biblisch "erkennt". Pornokitsch bis zur
entmannenden, pardon: entwaffnenden Rührseligkeit kriegt freilich auch
"unsere" Renate Bertlmann hin, der die Männlichkeit, ach nein, vielmehr
deren hyperaktiv summende und brummende oder schweigsame, weil nicht mit
Batterien gesegnete Nachahmungstäter (die Vibratoren) auf Gedeih und
Verderb ausgeliefert sind. Die sieben Zwerge sind in Bertlmanns
"blasphemischer" Welt etwa . . . ähm jeder von ihnen ist ein, . . . wie
soll ich sagen . . . ist . . . na "so was" halt, und jeder hat sich eine
pfefferschotenrote Zipfelmütze übergezogen, die folglich im Prinzip ein
Kondom ist. Der herzige Harem von Schneewittchen (wir erinnern uns: die
Hausfrau der sieben Zwerge). Nun ja, da die sieben Zwerge ja
tatsächlich Bergleute sind - mit Betätigungen im Dunkeln unter Tage -,
wäre Freud eventuell zu demselben Schluss gekommen wie die Bertlmann, was
denn "die wahre Natur" der sieben Zwerge sei. Und wenn man sich einmal zum
mehr oder weiniger kleinen Unterschied hinunterbeugen und dann quiekend
ausrufen kann: "Mei liab!", dann ist das wirklich eine zuckersüße
Entmannung. Durch Verniedlichung. Also lasset uns kitschen!
Erschienen am: 28.05.2004 |
. |
Kritik an Museum am
Mönchsberg
Quer durch Galerien
Kunstsinnig
Secession: Alois Mosbacher, Carola Dertnig, Bernhard Fruehwirth
Kunstsinnig
Quer durch Galerien
Präzise Aufnahme eines Überganges
Werk wechselt für 120.000 Pfund nach Österreich
Brunner Memorial Prize für Hollein
|
. |