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19.05.2003 - Kultur News
Ausstellung: Den Geist hinter den Worten
In Erfurt findet Max Weilers Zyklus "Als alle Dinge . . ." kurze Ruhe.
VON ALMUTH SPIEGLER


Theologe, Philosoph, Mystiker, Predi ger, Verfolgter wie Suchender: Meister Eckhart ist heuer das Jahr in Er furt gewidmet. Vor 700 Jahren kehrte der Dominikaner-Mönch aus Paris in die Thüringer Handelsstadt zurück. Anlass für ein Jubiläums-Programm, auch für die kurze Rückkehr eines Bilderzyklus. In nur einem Jahr, 1960/1961, malte Max Weiler 29 Eitempera-Bilder zu einem Satz aus einer Predigt Meister Eckharts, so tief und bewegend, dass es einem den Atem hören lässt: "Als alle Dinge in tiefem Schweigen lagen und die Nacht in der Mitte ihres Laufes war, da kam vom Himmel, vom königlichen Throne, o Herr, Dein allmächtiges Wort." Jedes einzelne Wort fand bei Max Weiler ein eigenes Bild, alle gleichberechtigt, alle gleich gewichtig. Nur für die "Dinge" fanden sich zwei.

Fast den gesamten Meister-Eckhart-Zyklus zeigt das Angermuseum Erfurt. Eine Ausstellung, die hier so tief in sich ruht, als wäre sie nicht zerrissen und wieder zusammengefügt worden. Dabei wurde sie bisher erst zweimal vollständig gezeigt: 1961 in Innsbruck, 1981 im Salzburg. In Erfurt hat man nun sogar eine Raumform für den Zyklus gefunden, wie Weiler sie als ideal ansah. Er dachte an einen schmalen Gang aus Beton - zwei schlichte schmale Räume sind es hier. Eine Beengung, die zum Aufrichten des Körpers führt. Wie auch die Bilder ein Straffen der Haltung einfordern. Das Gegenübertreten einen festen Blick.

In abwechselnden Farbkombinationen wiederholt sich ein Motiv: die nach oben zulaufende Form eines Daches, besser noch eines Baumwipfels. Alles strebt in die Höhe - und fällt an den Seiten wieder herab. Ein Kreislauf, dynamisch und doch eintönig, beruhigend. Nur hie und da treten die Worte selbst aus der Farbe heraus, materialisieren sich zu einem "der", "lagen", "als". Vielleicht um Orientierung zu geben, um die Hochformate zu erden. Nur ein Teil, die "Nacht", breitet sich horizontal aus, verliert sich ein wenig, zieht den Betrachter mehr hinein als hinauf.

"Bilder der Meditation" nannte sie Weiler selbst. Er wollte das Unsichtbare darstellen, nicht Worthülsen, sondern den Geist dahinter. Schon 1934 hatte ihn das Eckhart-Zitat, das sich auf eine Stelle im Buch der Weisheiten bezieht, bewegt. Auf der Rückseite des "Weihnachtsbildes" findet sich der Beginn des Satzes, fast 30 Jahre, bevor Weiler ihn wieder aufgriff und den Zyklus malte: ein kraftvolles, Kraft gebendes Hauptwerk.



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