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Keine Fiakerfahrt: Eine zum Teil polemische Betrachtung der ganz frischen Hochhäuser von Wien

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Wenn es auf der Platte zeitgenösselt: Venedig über den Autobahnabgasen

Von Claudia Aigner
Andromeda Tower: 110 m. Vienna Twin Tower: 138 m. Millenniumstower: 202 m. In Wien baut man neuerdings hoch, höher, ja eigentlich eh nicht so wirklich hoch. (Verglichen mit Kuala Lumpur.) Aber einen vertikalen Weltrekord erwartet ja keiner von einer Stadt, wo laut Bauordnung etwas bereits als Hochhaus durchgeht, das gerade mehr als 26 m hoch ist . . .

Debattieren Sie mit!. . . und wo das längstdienende Hochhaus (jenes, das sich seit den dreißiger Jahren in der Herrengasse 6 - 8 "aufhält") praktisch unsichtbar ist. (Nicht einmal der Osterhase versteckt so gründlich.) Und während man im ersten Bezirk das fiakertaugliche Kaiser-Franz-Joseph-Flair so halbwegs zu erhalten trachtet, wird an der Peripherie fleißig an immer neuen Filialen des heutigen Wien gebaut, wo die Architekten dann endlich so richtig "zeitgenösseln" dürfen. Etwa auf der "Platte", in unserem "Venedig über den Autobahnabgasen", kurz: in der Donaucity.
Sogar Sandlern ein Greuel?
"Als Obdachloser leb' ich doch lieber in Ottakring im letzten Hinterhof als dort draußen." Zu dieser Beleidigung ließ sich ein Galerist aus dem sechsten Bezirk hinreißen (garantiert kein Sandler). Würde sich am Ende doch nicht jeder freiwillig bei lebendigem Leib im Mischek-Tower "einbetonieren" lassen, diesem Fertigteilhaus im "Bratislava-Stil"? Vizebürgermeister und Planungsstadtrat Bernhard Görg: "Ich selber halte auf der Platte den Wohnbau im engeren Sinn auch nur für mäßig geglückt." Wie auch immer: Da an einem Freitag um 19 Uhr im Mischek-Tower etwa gleich viele Lichter angingen wie zur selben Zeit in der Uno City nebenan, dürfte Planungsstadtrat Görg recht damit haben, dass es Leute gibt, "die so wohnen wollen".
Als unerschütterliche Optimistin gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich doch noch Finanziers für die Twin Towers von Peichl & Isozaki finden werden und dass einem dann das "Riesenbaby" im Hintergrund nicht mehr so auffällt. Vorerst muss man sich halt damit behelfen, die Augen zuzumachen, sobald man Holzbauers Andromeda Tower passiert hat. Wenn man dann bei Holleins Volksschule angelangt ist, kann man sie ruhig wieder aufmachen (muss aber damit rechnen, dass man bis dahin mit mindestens einem Hundstrümmerl Kontakt aufgenommen hat). Ob die schalterähnlichen Teile außen am Andromeda Tower wohl dazu da sind, das Hochhaus ein- und auszuschalten, hoch- und niederfahren zu lassen? Wer das glaubt, muss schön blöd sein. Wenn der Mischek-Tower doch auch so etwas hätte und wenn das dort auch noch wirklich funktionieren täte. Einmal drücken und das grausliche Wohn-Ungeheuer verschwindet im Keller!
"Babylonisch" übereinandergestapelte Wohnungen können einem so zusetzen, dass man quasi schon mit überhöhter Geschwindigkeit Roland Rainer in die Arme läuft, einem berüchtigten "Hochhausabstinenzler" (Gustav Peichl: "Ein Hochhausfresser"). Kann ein Hochhaus seiner Umgebung etwas antun? Rainer: "Im einen Fall haben Sie keine Belästigung, im andern werden Sie kein Licht mehr haben." Also gleich überhaupt keine hohen Häuser? "Hochhäuser g'hörn in eine Großstadt schon hinein, aber keine Wohnhochhäuser." Und: "Ein Büro kann ein Hochhaus sein, ein Wohnhaus sollte es nie sein." Und seine persönliche Schmerzgrenze bei Wohnhäusern? "Höchstens drei Geschoße." Und seine Botschaft an den stadtplanenden Teil der Menschheit? "Eine Stadt ist nicht dazu da, dass wenige Leute viel Geld verdienen, sondern dass viele Leute glücklich wohnen."
Auf der Platte frönt man derweil dem "Living Office": arbeiten, wo man gerade noch mit dem Hund Gassi gegangen ist und wo man später dann im Pyjama stecken wird. Kurz: wohnen, wo der Arbeitsplatz nicht weit ist. Also ein überschaubares modernes Wien im Kleinen? Görg: "Das ist nicht ganz richtig. Es gibt ja überhaupt nix zum Einkaufen."

Lynchjustiz mit Mayonnaise

Und weil wir schon in der Gegend sind: Schauen wir doch beim "Wohnpark Alte Donau" zwischen der Uno City und der U-Bahnstation "Alte Donau" vorbei. Von draußen (von der Wagramer Straße aus) machen sich die Hochhäuser hinter der unspektakulären Häuserzeile lediglich wie drei Mayonnaisetupfer bemerkbar (auf einer ansonsten sehr eintönigen Scheibe Brot). Wenn nun aber Peichl & Weber, Coop Himmelb(l)au und die Architektengruppe NFOG (also die Erzeuger besagter Wohnhochhäuser) ihren Kollegen Roland Rainer drinnen aussetzen würden, wäre das unleugbar Lynchjustiz. Dass einer dieser Wohntürme blau gestreift ist, wird den "Gelynchten" auch nicht sonderlich aufheitern. Würde ihm dann auch noch Harry Seidler höchstpersönlich anbieten, ihn, wenn es fertig ist, in seinem 33-stöckigen "Hochhaus Neue Donau" etwa im 32. Stock einzuquartieren (besser als umgekehrt), gäbe ihm das wohl den Rest. Und wie geht es dem Durchschnittswiener mit den Hochhäusern? Stadtbaudirektor Arnold Klotz: "Wenn Sie neben einem Hochhaus wohnen, werden Sie weniger begeistert sein. Aber so generell, wenn man nicht betroffen ist, ist die Meinung sehr neutral."
Schauplatzwechsel: die "Wienerberg City" (auch so eine Zweigstelle der Wiener Urbanität), auf die man, wenn man von der A2 abfährt, mit 70 km/h zurollt (wegen dem Radarkistl). Nur bei dichtem Nebel ist dort alles beim Alten. Ansonsten ist der kolossale Vienna Twin Tower (von Massimiliano Fuksas) beim besten Willen nicht zu übersehen. Aber er ist ohnedies in seiner schlichten funktionalen Art sympathisch genug, dass wohl nur wenige den Wunsch hegen werden, die Nebelmaschine anzuwerfen. Das letzte Zipferl der insgesamt 40.000m² Glas ist mittlerweile sicher schon an ihm dran, Anfang Dezember werden dann bereits 2350 der 1,610.300 Wiener ins Kino in der Sockelzone gehen können und der Erstbezug soll laut Ralf Bock vom Büro Fuksas ab Februar 2001 möglich sein.
Der eine oder andere wird sich fragen: Wo, bitte schön, sind da die Zwillinge? Abgesehen davon, dass die beiden Türme (138m und 126m) zumindest siamesische Zwillinge sind (zusammenhängen tun sie ja), könnte es ja sein, dass man einfach nur den Stephansdom nicht kränken wollte, der ja nur einen glaubwürdigen Turm hat (Höhe: 136,7m). Also wenn schon Doppeltürme, dann wenigstens solche, denen man es nicht sofort anmerkt, dass sie zu zweit sind?
Leid tut es mir lediglich um das jetzt zweithöchste Hochhaus dort auf dem Wienerberg (optisch das einzige in Wien, in das man J.R. Ewing glaubhaft hineinsetzen könnte). Das sieht jetzt richtig "entmannt" aus. Wie ja überhaupt die ganze Szenerie etwas von einer pubertären Potenzkonkurrenz hat ("Ätsch, ich bin 40m größer!"). Keine Sorge: Einen echten Rivalen zu den Petronas Towers in Kuala Lumpur (mit 452m das derzeit höchste Gebäude der Welt) wird man hier als nächstes nicht auch noch hinbauen. Der hätte dann nämlich automatisch mindestens die selben "Abfangjäger-Qualitäten" wie King Kong auf dem Empire-State-Building. (Die Wienerberg City steht ja in der Einflugsschneise des Flughafens Schwechat.) Die neuen Bürotürme: moderne Fruchtbarkeitssymbole? Ein wirtschaftlicher Lingamkult?
Das imposanteste Lingam Österreichs: der Millenniumstower am Wiener Handelskai. Eine 202m hohe Demonstration der Zeugungskraft des Konzerns "Millennium Communication Network" (oder der Architekten Peichl/Podrecca/Weber). Eine 65.000 Tonnen schwere "Erektion". Unten (im Einkaufszentrum) brodelt die Brieftaschenpotenz und nach dem Einkauf fahren die Büroangestellten mit dem Lift wieder hoch (werden aber oben an der Spitze trotzdem nicht in die Donauwinde hinausejakuliert).
Bekanntlich schwanken Hochhäuser bei starkem Wind. (Notgedrungen, weil sie sonst abbrechen würden.) Laut Peichl bringt es die Spitze des Stephansturms (vielleicht sollte man ihn endlich zum "St. Stephen's Tower" erklären) bei entsprechender Windstärke gar auf 1,30m. Ui! Da muss der Millenniumstower ja schon Wackelpudding-Niveau erreichen (immerhin hat er 65,3m mehr, die ein Sturm durchbeuteln kann). Heißt das, dass in den obersten Stockwerken regelmäßig die Fenster "angspiebm" sind? Peichl: "Nein, glaub ich nicht." Zugegeben: Die Antwort gab Peichl auf die weniger unappetitliche Frage, ob sein Millenniumstower stärker "ausschlägt" als der Steffl. "In Wien gibt es Plätze, wo man ein Hochhaus unter keinen Umständen bauen darf, wo man eines bauen soll und wo man es muss." Wo muss man denn, Herr Peichl? Natürlich, wo sein Millenniumstower mit der Antenne die vorbeiziehenden Wolken kitzelt. Weil der Standort mit dem öffentlichen Verkehr gut aufgeschlossen ist. Ganz allein stehen die 202m da. (Peichl: "Gott sei Dank.") Und was macht der Peichl, wenn sich jemand doch erfrecht und ihm womöglich 51 Stockwerke daneben hinstellt? (Der Jahrtausend-Turm hat ja bloß 50.) "Es muss nur besser sein als unsers. Wenn's schlechter is, bin ich bös."

Unverwüstlicher Steffl

Kann unser Steffl jetzt also als Wahrzeichen "einpacken"? Rainer: "Wissen Sie, der Stephansdom ist ein Wahrzeichen. Daher ist er auch ein Wahrzeichen." Nicht einmal der Peichl glaubt ernsthaft, dass der Steffl abdanken wird. ("Da können die wahnsinnigen Architekten rundherum bauen, was sie wollen.") Aber was, wenn der Stephansdom so richtig total, komplett, radikal kaputt wird? Baut man dann ein modernes Hochhaus hin? Görg: "Ich gehe eher davon aus: Der Stephansdom kann nicht radikal zerstört werden."

Erschienen am: 14.11.2000

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