DiePresse.com | Kultur | News | Artikel DruckenArtikel drucken


Galerien in Wien: Ornamente tanzen – mit und ohne Sex

09.04.2008 | 18:26 |  (Die Presse)

Steinek, Engholm Engelhorn: Bunte Figurenreigen der Maler Dorothy Iannone und Ryan Mosley.

In Abrissen der feministischen Kunstgeschichte war sie bis vor kurzem nicht zu finden: US-Künstlerin Dorothy Iannone kämpfte zwar schon Mitte der 1960er für sexuelle Befreiung, die Mann-Frau-Beziehung sah sie aber weniger als Unterdrückungs- denn als Lustverhältnis. So listete Iannone 1967 in einem Buch alle Männer auf, mit denen sie im Bett war. Vor fünf Jahren wurde das Werk der 1933 geborenen Autodidaktin wiederentdeckt.

Iannones großformatige Liebespaare, die vor wuchernden Ornamenten zur Sache kommen, werden in der Galerie Steinek angeboten: An Comics erinnert die pseudonaive Malweise, Blickfang sind fast immer rosa fleischige Geschlechtsteile. Erzählt wird auch die Geschichte sexueller Abhängigkeit: „Look at me“ heißt ein Bildnis zweier Frauen, die vor einer schwarzen Sonne um Aufmerksamkeit buhlen, von 1970 (70.000 Euro).


Jahrmarktfreaks und Schlangen

Iannone, die langjährige Lebensgefährtin von Dieter Roth, gab vor, ganz mit ihrer Kunst zu verschmelzen, dafür trat sie auch in Aktion: Mit geweiteten Augen stöhnt sie im Video (von 1975), das in der bemalten, mit Federn geschmückten Box (von 2006) „I was thinking of you“ läuft. Zusammen in Neuauflage um stattliche 100.000 Euro. Billiger die lustigen Pappfiguren der Serie „People“, darunter eine Reihe Jahrmarktfreaks um je 6000 Euro.

Einen Hang zu Ornamenten und Karneval zeigt auch Ryan Mosley in der Galerie Engholm Engelhorn. Von Iannonens zeichnungshafter Malweise ist sein pastoser Pinselstrich weit entfernt. Stark die Lust am Morbiden: Mosley überzieht Gesichter mit Mustern, entstellt die Porträts zu gruseligen Masken. Auf Frisuren, Hüten türmt er arcimboldesk weitere Köpfe, auch Totenschädel. Plumpe Gesellen mit schleißigen Zylindern, wie eine Zeitreise ins 19.Jahrhundert: Wenn die Figuren den Halt verlieren, fallen sie in den schmutzig-weiß grundierten Raum. Preise: zwischen 3800 und 9500 Euro.

„The Curious Tale of the Butterfly Hat“ heißt das wohl beste Gemälde: Auf großen Magic Mushrooms zwei Tänzerinnen in buntem Kostüm, die à la Laokoon von einer Schlange eingekreist werden. Die sexuelle Deutung bietet sich an, aber in Mosleys Erzählungen gilt es wohl erst, viktorianische Zügel abzustreifen. schey

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2008)


© DiePresse.com