text breit    text schmal   
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
28.04.2004
19:46 MEZ
Von
Markus Mittringer

Service

"Wiener Linien. Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960". Wien Museum Karlsplatz, 29. April bis 20. Juni, Di bis So, 9 bis 18 Uhr

Link

wienmuseum.at

 
Foto: Wienmuseum /  Hans Schabus
Hans Schabus' Kanalfahrt mit der "Forlorn" im, so der Bildtitel, "Wienfluss, 16. Februar 2002"

Wien denkt vor und zurück
Eine Panorama- Aussichtswarte: "Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960" bei "Wiener Linien" im Wien Museum

Wolfgang Kos nennt seine Zusammenstellung der "Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960" im Wien Museum schlicht "Wiener Linien". Eine Schau zum beliebigen Ein- und Aussteigen ist das geworden: eine Panorama-Aussichtswarte.


Wien - - Folgendes galt längst als dem Vergessen anheim gefallen: Peter Weibel und Martin Prinzhorn gewannen 1984 ein ausgezeichnet besetztes Wettsaufen anlässlich der Finissage einer Martin-Kippenberger-Ausstellung, die zugleich Vernissage einer Schau von Buddy Albert Oehlen war.

In selbem Dunstkreis kam es auch zu einer "Ansprache an die Hirnlosen", die André Heller galt und zu einer Serie von Witzen über Walter Pichler führte, die, zum Entsetzen Kippenbergers, an der damaligen Angewandten keiner lustig fand. (Zumindest hat sich keiner getraut zu lachen.)

Am 14. 12. 1996 schließlich kam es zum nervenzerfetzenden "Ersten Wiener Fiakerrennen" um den "Peter-Altenberg-Preis". Martin Kippenberger gewann mit seinem am Stephansplatz bestochenen Kutscher ob eines gekonnten Frühstarts die vier Hauptallee-Kilometer knapp vor Albert Oehlen. An die Siegesfeier im Café Alt-Wien kann sich keiner der Überlebenden mehr deutlich erinnern. Gott sei Dank gibt es den Didi Sattmann, der bei solchen - oft anonymen - Performances nicht nur auf geheimnisvolle Weise immer dabei ist, sondern auch die Sache mit der Schärfe im richtigen Zeitpunkt und Ausschnitt professionell nüchtern im Griff hat.

Und nur so kommt es, dass Wolfgang Kos in seinem Wien Museum dieser historischen Ereignisse ausführlich gedenken kann. Auf dass auch der jüngere Stadtmensch eine Ahnung davon bekommt, dass es nicht immer so korrekt hergegangen ist an den verstreuten Destinationen der Wiener Linien, wie sich das etwa die Johanna Kandl gerne spruchreif ausmalt.

Vor Kippenberger und Oehlen spazierte etwa Günter Brus, ungewollt mythenbildend, zweigeteilt seiner Verhaftung durch die Stadt entgegen, Peter Dressler bündelte seine Spaziergänge zu Serien den Brunnenmarkt beliefernder Fuhrwerke, und Wolfgang Ernst begann sein Untertagwerk eines Ganges von Wien aus durch den Mittelpunkt der Erde direkt nach Tasmanien.

Aus den Bergen angefallenen Schutts ragten gerade noch die Turmspitze von St. Stephan und jene von Notre-Dame in Paris. Padhi Frieberger waren alle Lipizzaner "scheißbraun", Bodo Hell fand im ganzen Stadtraum Material, um daraus Gedichte zu fertigen (Stadtschrift, 1975-1980). An der Wende zu den 90er-Jahren schwindelten sich in Siggi Hofers akribisch angelegten Stadtpläne immer wieder real nicht existierende Sehenswürdigkeiten, und Kurt Krenn filmte sich immer noch so recht und schlecht durchs Leben.

Halt im Wandel des Stadtbildes bieten Leo Kandls Momentaufnahmen aus dem Weinhaus Höller im achten Gemeindebezirk: Smarte Figuren wie jene, die er um 1980 in Schwarz-Weiß gebannt hat, finden sich bis heute beruhigenderweise noch immer und überall. Auch wenn aus dem Brandtweiner längst das "Espresso Rosi" wurde. Eine der jüngsten Wiener Linien führt Hans Schabus per Segelboot durchs Kanalnetz. Man sieht: Es bleibt spannend! (DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2004)


© 2004 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.