Galerien live
Vom Leben ohne Puls
(cai) Tote tragen wirklich
keine Karos. Aber ein trendiges Leopardenmuster. Und sie haben
Samtsakkos in der Modefarbe Violett an. Und üppige Roben. Der naive
Betrachter glaubt vielleicht, die da in den lebensgroßen Leuchtkästen,
die wären die Hauptdarsteller in einem Zombie-Schocker. ("Die Nacht der
modelnden Leichen.") Edel-Zombies, deren Kostüme womöglich der
Valentino höchstselbst entworfen hätte. Und der Maskenbildner, der die
Untoten so authentisch hingekriegt hat, verdiene einen Oscar.
Das sind freilich keine Schauspieler. Die Totenflecken
sind echt. Das Moskauer Quartett AES + F war zuerst mit der Kamera in
der Leichenhalle, hat dann lebende Models abfotografiert
und die Designerkleider schließlich den toten Leibern angezogen.
Virtuell. Wie nennt man diese Kunstrichtung eigentlich?
Leichenschändung? Das sind doch Perverse! Andererseits .. . Ja, ich
wäre wahrscheinlich verpflichtet, das Ganze scharf zu verurteilen. Doch
die "Porträts" sind von solch melancholisch morbider Schönheit, sie
wollen mir überhaupt nicht unanständig vorkommen. Man denkt eher an
Himmelfahrt oder Auferstehung, wenn die herausgeputzten, seltsam
lebendigen Leichname bloßfüßig vor dem gleißenden Licht schweben. Und
verharrt in stiller Andacht davor.
Hm. Ist diese makabre Romantik denn etwas anderes, als wenn der
Arnulf Rainer eine Totenmaske überarbeitet? Na ja, wenn er
Schmetterlinge aus Swarovski-Kristallen draufpicken täte, dann nicht.
Den drastischen Realismus des Todes verkraften wir eben nicht pur. Doch
während wir ihn in parfümierte Wörter einwickeln (der
Erloschene, der Verblichene . . .), nehmen AES + F eben die
exquisitesten Gewänder, die im Diesseits zu bekommen sind. Provokant?
Natürlich. Aber nicht pietätlos. Die "Gemma Leichen schaun"-Voyeure
kommen jedenfalls nicht auf ihre Kosten.
Kreisch, Säge, kreisch!
(cai)Die Kettensäge ist ja nicht grad ein Präzisionsinstrument. Die
verhält sich zu einem Skalpell wie ein Pressluft-Rohrreiniger zu einem
Wattestäbchen. (Pressluft-Rohrreiniger? Ja. Das martialische Ding, mit
dem man den verstopften Abfluss regelrecht erschießt.) Umso
erstaunlicher, was der Armin Göhringer damit anstellt. Gut, zunächst
machen die Holzskulpturen einen grobschlächtigen, fast schlampigen
Eindruck. Doch bald wundert man sich, wieso die sich kein Haxl brechen,
also keins von den Stangerln, die so viel aushalten müssen. Wieso hat
es noch nicht "knacks!" gemacht? Immerhin treibt der Göhringer das
prekäre Gleichgewicht zwischen Stabilität und Labilität ins Extrem. Die
Spannungen im Holz kann man förmlich fühlen. Und sobald man das Brettl
sieht, aus dem er ein Spitzendeckerl gemacht hat (okay, das ist ganz
leicht übertrieben), traut man ihm alles zu. Der kann mit der Säge
garantiert Grashalme spalten. Oder Forellen entgräten, ohne dass die
nachher aussehen wie vom Weißen Hai verdaut.
Das Bein der Erkenntnis
(cai)Komisch. Auf der Einladungskarte ist eine Szene aus einem
Tischfußballspiel drauf, doch in der Galerie gibt’s keine Wuchtel. Das
ist ja mysteriös wie die Abseitsregel. Und in den Bildern von Engelbert
Erben herrscht eine solche geometrische Nüchternheit, der trinkt beim
Malen sicher nicht einmal ein Bier (den kultischen Trank der
Fußballfans). Die simplen Kompositionen sind aber eh komplexer, als es
den Anschein hat. Abstrakte Flächen schlagen plötzlich in Hundehütten
um. Das hat einen gewissen Reiz. Ich hab’s! Hunde und Kicker heben
beide ihr Bein. Jeder auf seine Weise. Das ist’s also.
Knoll Galerie Wien
Gumpendorfer Straße 18 AES + F: "Defile" Bis 14. November Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr
Galerie Hrobsky
Grünangergasse 6 Armin Göhringer Bis 17. Oktober Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 15 Uhr
Galerie Lindner
Schmalzhofgasse 13/3 Engelbert Erben Bis 22. Oktober Di. – Fr.: 14 – 18 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 30. September 2009
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