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Essl Museum: Schöne Zeichnung, Hubert

28.01.2010 | 18:24 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Hubert Scheibls „Fette Enten“: Riesige Malereien und ein böses Krokodil. Lustvoll verfällt man ins inhaltliche Spekulieren zwischen konkretem Titel und abwechslungsreich auf- und abgetragener, abstrakter Malerei.

Wem beim Titel „Fat Duck“ gleich seine Gourmet-Fantasien ins ferne englische Berkshire ausbüchsen, wo einer der besten Köche der Welt, Heston Blumenthal, in der famosen Kombüse „Zur Fetten Ente“ Subtilitäten kreiert, wird sich schön wundern. Denn das Sammlerpaar Essl ließ sich nicht etwa von der vorigen „documenta“ inspirieren, die auf ihre Künstlerliste einen Starkoch (Ferran Adrià) setzte. Im Klosterneuburger Museum wird nichts Vakuumdampfgegartes gereicht und schon gar keine smarten Häppchen. Sondern ziemliche Brocken.

„Fat Ducks“ hat Hubert Scheibl nämlich „scherzhaft“ seine Bilder getauft, mit denen er in den vergangenen drei Jahren die Grenzen eines neuen Ateliers in Stockerau auslotete: Bis zu fünf Meter hoch sind diese Leinwände und bis zu fünf Meter breit – und sie schaffen es locker, den schwierig zu bespielenden Großen Saal im Essl Museum zu bezwingen. Acht „fette Enten“ reichen dafür locker, Scheibl hat vorwiegend freundliche ausgesucht, lichte lockere Farbgeschwader, die gewohnt anregende Titel aus der Filmgeschichte, laut Scheibl unser „kollektives Gedächtnis“, tragen: „Vielen Dank für das sehr unterhaltsame Spiel“ etwa sagte Supercomputer HAL doch höflich-ironisch zu den armen, ihm ausgelieferten Astronauten nach einem gewonnenen Schachspiel in Odyssee 2001, Sie erinnern sich?

Bei Scheibl läuft dieses Zitat als Subtext mit, während man die fünf Meter 40 eines knallgelb changierenden Farbraums abschreitet, hinter dessen ephemerer sonniger Fassade schon etwas anderes, Dunkleres zu wabern beginnt... Wie im Film weiß man schon – „Was da kommt, kann man nicht aufhalten“, so ein anderer Bildtitel, entlehnt aus No Country for Old Men.

 

Hypernervöser Schiele-Strich

Locker und lustvoll verfällt man bei Scheibl ins inhaltliche Spekulieren zwischen konkretem Titel und abwechslungsreich auf- und abgetragener, abstrakter Malerei. Interessant in dieser Ausstellung ist die Betonung der grafischen Elemente, des hypernervösen Schiele-Strichs, den Scheibl in die Malschicht kratzt – „Das ist eine sehr schöne Zeichnung, Dave“, lässt er sich dafür von HAL loben. Gleich zweimal: Wie eine Wand zwischen Tag und Nacht hängen die beiden Bilder, eines mehr weiß, eines mehr schwarz, Rücken an Rücken von der Decke. Sie erinnern an eine Technik aus Kindertagen, in der erst mehrere bunte Schichten übereinander gelegt und dann wieder aufgekratzt werden.

Die größte Überraschung der Schau aber ist eine Installation in der Rotunde, in der man den erfolgreichen Oberösterreicher (Galerie Ropac, Galerie Charim) nicht wiedererkennt: Rund um das Skelett eines großen Krokodilskopfs liegen zerstückelte Autoreifen, betritt man diesen Müllteppich verliert man zwar die Trittsicherheit, gewinnt aber wenig zusätzliche Erkenntnis. Über dem Krokoschädel ist Leibniz' alter Binärcode verstreut, die Grundlage für unsere heutige digitale Welt. In einer Mulde des Tierschädels liegt ein menschlicher Totenkopf wie der Fahrer in einem Panzer, rundherum verdorben. Und Dutzende Grafiken Scheibls, in denen man ebenfalls Skelette, den Tod und die Geschichte vorfindet. Zur gefährlichen Einheit verschmolzene Urkräfte also auf ihrem zerstörerischen Weg in eine nach Abfall stinkende Zukunft? So genau wollten wir es dann doch nicht wissen.

Bis 2.Mai, Di.–So. 10–18h, Mi. 10–21h.


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