Kultur/Medien | 03.09.01 | www.DiePresse.at
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Farbflecken, Getränke fürs Gehirn

In Linz begann die Ars Electronica dürftig: mit der Minimalvariante einer interaktiven Installation.

"Es ist eine Kunst, das eigene Gebäude zu beschießen", meinte der Rektor der Kunst-Uni, "Kunst ist immer etwas Relatives", sagte der ORF-Landesintendant. Solcherart ward der Diskurs über "Paintball", eine Installation am Linzer Hauptplatz, eröffnet. Dort kann man, indem man am Handy eine Nummer wählt, ein Katapult auslösen, das eine Leinwand beschießt. ,If you don't think this is art, call this number!" lautet die Anweisung, auf Englisch, was ja immer besser klingt. Es entsteht ein Bild, das man früher bei der Ars wohl "telematisch-pointilistisch" genannt hätte. Heuer stellt man keck gleich den Kunstbegriff in Frage - und unterstellt, daß die Kritik das ja auch immer getan hätte, unter dem Motto "Ja, ist denn das noch Kunst?"
Doch das hat kaum jemand je bei der Ars gefragt. Die Frage ist vielmehr, ob ein Werk überzeugen kann. "Paintball" kann das nicht. Es ist ja auch nur die Minimalvariante eines Spiels, das seine Schöpfer, zwei primär in der Werbebranche tätige Deutsche, in wohl geistreicheren Versionen ihren Kunden anbieten.
Entsprechend war das Eröffnungsfest in der Kunstuniversität die Minimalvariante eines Kunststudenten-Festes: gerade Beats zur ebenen Erde, ungerade Beats im ersten Stock, dazu Cocktails im Plastikbecher. Es muß ja nicht immer "Konzept" gebrüllt werden, aber ein bißchen hätten sich Studenten und Lehrer doch einfallen lassen können. Auch ein erster Gang durch die Ausstellungen vermittelt den Eindruck, daß das heurige Thema der Ars Electronica nicht sehr inspirierend gewirkt hat. "Wer macht die Kunst von morgen?": Diese Frage ist am besten mit einer Tautologie beantwortet: Alle, die sich als Künstler sehen wollen. So wird sie in der Praxis auch heuer in Linz beantwortet. Niemand spricht einem Molekularbiologen das Künstlertum ab, auch Leonardo haben seine anatomischen Studien nicht geschadet. Aber daß Beteiligung von Wissenschaftlern und Programmierern automatisch einen "Creativity Burst" bringt, wie Ars-Leiter Gerfried Stocker es nennt, ist ein frommer Wunsch.
So wirken die Arbeiten des M.I.T-Professors Hiroshi Ishi wie der unbeholfene Versuch, die (langsamen) Fortschritte der Robotertechniken ästhetisch zu präsentieren, meist in hölzernem Kinderfest-Design. Spaß macht am ehesten das ,Pingpong Plus", mit durch den Ball ausgelösten Bildern von Wellen als Schikanen.
Vergnüglich ist auch die "Brainbar", eine schwedische Installation in guter Ars-Tradition: Da werden die Hirnwellen des Probanden über einen um den Kopf geschnallten Reifen gemessen, und ein Automat mixt das angeblich der Hirntätigkeit entsprechende Getränk (im Fall des Berichterstatters Whiskey sour). Eine hübsche Verspottung, sowohl der Übertreibungen der Hirnforscher als auch der noch immer grassierenden "Cyberborg"-Phantasien.

© Die Presse | Wien
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