MAK: Arbeiten von Richard Artschwager
Von der Unheimlichkeit der alltäglichen Dingwelt
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Vielleicht geht die enorme Kraft zu Innovationen im Paradox
von Ironie und Ernst schon auf das Elternpaar Richard Artschwagers zurück;
ein preußischer Botaniker und eine ukrainische Künstlerin in den USA: In
Washington ist er 1923 geboren worden, kehrte aber zum Studium bei
Ozenfant in Paris und als amerikanischer Befreiungssoldat in Wien
vorübergehend selbst nach Europa zurück. Nun ist Artschwager, der in
Wien immer wieder mit Werken in der Galerie Georg Kargl zu sehen ist, mit
einer großen Retrospektive noch bis 16. Juni in der Ausstellungshalle des
MAK mit seiner Kunst präsent. Eigentlich hat er das Museum in seiner
Position zwischen Kunst und Design selbst in Frage gestellt; denn seine
Möbel sind keine Gebrauchsgegenstände, als Kunstobjekte lassen sie die
erhabene Aura vermissen und hinterlassen Unsicherheit. Für den Künstler
ist die jahrtausendelange Überhöhung der Kunst in einen magischen Bereich
selbst nur Konstruktion. Seine Ansprüche setzen bei niemand geringerem als
Abaelard (und seiner Ringparabel) an, um sich in Leibnitz' Ars
combinatoria fortzusetzen und über Hegels propagiertes Ende der Kunst samt
neuer Verrätselung durch Freud und Lacan in der Zeit nach dem
vermeintlichen Ende und nach Duchamps Ready-made anzukommen. Besonders
in der zentralen Halle, in der er seine in klassischen Malerei-Fotofragen
kreisenden Tuschezeichnungen auf Hartfaser zu einer zum Thron erhobenen
Sesselskulptur und seinen linguistischen Interpunktionszeichen und "blps"
vereint, ist die Kombinatorik anschaulich: Im Sinne der Arte memoria wird
das Objekt zum Instrument nutzlosen Sehens. Der Materialfetischismus des
ehemaligen Tischlers ist vom kostbaren Holz ins provokant abwaschbar
kleinbürgerliche Imitationsmaterial Resopal gewandert. In sein Konzept
verpackt er nicht nur Ironie, sondern auch die Stärken der
naturwissenschaftlichen Methodik nach einem Mathematik- und Chemiestudium.
Seine aus Wien stammende erste Ehefrau hatte ihn zur Kunst bestärkt
und er pfeift von jeher auf die Nüchternheit der Minimalisten und
Postminimalisten, auf alle Theorien vom Ende oder der Erhabenheit, selbst
auf die Vorrangstellung der linguistischen Buchstäblichkeit. Als
anarchischer Einzelgänger hat er alles verwoben von Loos über Duchamp,
Warhol, Judd u. a., aber er setzt statt Nostalgie auf das Ablegen eines
enormen Wissens über die Kunst der Vergangenheit. Als Besucherin kann man
im vorgetäuschten Lift namens "Jason III." auf Knopfdruck Licht- und
Geräuschsimulation empfangen, bleibt aber wo man ist: am Boden. Der
beharrliche Provokateur mit seinen Typenformen lehrt uns, ohne didaktisch
zu sein, neu zu sehen: ein Blick durch Albertis Rahmen in einen formal wie
gesellschaftlich erweiterten Kunst-Raum.
Erschienen am: 04.06.2002 |
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