Kultur

Von der Farbe zum Gedärm

24.05.2007 | SN
Am Mittwoch wurde im niederösterreichischen Ort Mistelbach ein kulturpolitischer Akt gesetzt mit der Eröffnung des Hermann-Nitsch-Museums. ERNST P. STROBL

Ernst P. Strobl Mistelbach (SN). Mistelbach? Das war in der Zwischenkriegszeit doch ein Potenzial für Wiener Polizisten, witzelte Joachim Rössel, der Leiter der Kulturabteilung der nö. Landesregierung bei der Pressekonferenz. Das Image der Stadt rund 40 Kilometer nördlich von Wien ist dabei, sich gründlich zu ändern. Gestern, Mittwoch, wurde in Mistelbach eine Art "Museumsquartier" eröffnet, der erste große Schritt ist das Museum, das einem der umstrittensten Künstler Österreichs gewidmet ist. Hermann Nitsch, leidenschaftlicher Weinviertler und im benachbarten Prinzendorf beheimatet, kommt im Gegensatz zu anderen österreichischen Künstlern schon zu Lebzeiten zu "staatlichen" Ehren. Der Maler zeigte sich am Mittwoch denn auch stolz auf "sein" Museum, das er mit einer Unzahl von kleinen bis kolossalen Werken, rund 150 Bildern, Messgewändern, Monstranzen sowie 500 Fotografien und Videos bestückt hat. Wie alle wissen, ist das Œuvre von Nitsch nicht jedermanns Sache, aber die großzügige Anlage ist nahezu ideal für die Präsentation eines Lebenswerkes, das bis in die 50er Jahre zurückführt.

Irgendwie schön zu sehen nach all den Jahren, da Nitsch wegen seines unbeirrbar vorangetriebenen "Orgien-Mysterien-Theaters" als Blutmaler, Gotteslästerer und Tierschinder abqualifiziert wurde, dass der bärtige Künstler nun einträchtig neben dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) auf dem Podium saß. Hat sich die Stimmung im Lande geändert? Ist sie so positiv geworden, dass man mit öffentlichen Geldern - immerhin tragen zu den Baukosten von fünf Millionen Euro das Land Niederösterreich und die Stadt Mistelbach vier Millionen bei - ein derartiges Prachtmuseum errichten kann? Ja, sagt Pröll, weil die Leute die kulturpolitischen Aktivitäten anerkannten und dankbar gemerkt hätten, dass sich die Investitionen lohnten. Rund 30.000 Besucher werden jährlich im neuen Mistelbacher Museumszentrum MZM erhofft. Es wurden zwanzig Dauerarbeitsplätze geschaffen in einer Gegend, wo etwa eine Frau mit Teilzeitbedürfnissen wenig Chancen vorfindet. Und was die Auseinandersetzungen um die Kunst von seinem "Freund Hermann" betrifft, findet Pröll sie wichtig. Er stehe aber für die Freiheit und Unabhängigkeit für Kultur und Kunstschaffende, sagt der "konservative", machtbewusste Politiker.

Auch der Mistelbacher ÖVP-Bürgermeister Christian Resch, baumlang und im Gemeinderat mit satter Mehrheit versehen, sieht die Sache pragmatisch. Er sei sofort vom Nitsch-Museum begeistert gewesen und habe Unterstützung gefunden. "Wenn man ein gutes Konzept hat, dann geht man zu Erwin Pröll", der werde das schon machen, sagte Resch. Immerhin hat Niederösterreich in den vergangenen Jahren das Kulturbudget verdoppelt, was auch einer Reihe von Künstlermuseen zugute kam. Das Kremser Adolf-Frohner-Zentrum ist praktisch fertig, das Arnulf-Rainer-Museum in Baden steht vor der Realisierung.

Die archaisch-rituelle Welt von Hermann Nitsch in der vom Architekten Johannes Kraus raffiniert umgebauten alten Pflugfabrik "ergänzt" passend das geplante Messweinzentrum und die NÖ Malakademie, 2008 wird der Dionysische Themenweg in der Gegend eröffnet. Ein Besuch der fast klösterlich wirkenden Anlage lohnt sich.Information: www.mzmistelbach.at

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