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07.11.2002 - Ausstellung
Mode ohne Mascherl und Ablaufdatum
Gabriele Höchsmann (1902 bis 1990) war die puristische Grande Dame der Wiener Mode: Zu ihrem 100. Geburtstag ruft sie eine liebevolle Schau im Wiener Heiligenkreuzerhof wieder ins Gedächtnis.
VON ALMUTH SPIEGLER


Ein wenig erinnern sie an Voodoo-Püppchen, diese langgliedrigen weißen Körper, gerade einmal 20 Zentimeter hoch. Doch werden die Nadeln nicht in sie hinein, sondern um sie herum gesteckt. Ein Photo als Zeitdokument: Eifrig über ihre Arbeit gebeugt, probieren Modeschülerinnen ihre Entwürfe an fragilen Figurinen aus. Die ernsten Mädchen tragen Rock, schlichte Bluse und Perlenkette. Junge Doubles ihrer Lehrerin an der Wiener "Angewandten".

Streng, unnahbar und wortkarg soll sie gewesen sein, die Höchsmann. Ihr Leben hat sie der Mode geopfert, auf eine eigene Familie verzichtet. Ihr Wiener Salon war Inbegriff der minimalistischen Eleganz.

Meisterin im Weglassen

Gertrud Höchsmann, 1902 in Wien geboren, war die Puristin unter den österreichischen Couturiers, und prägte ihren Stil einer neuen Generation von Modedesignerinnen auf. Ihr Motto in Salon und Schule: "Wem das nicht gefällt, der kann ja gehen". Stur verfolgte sie ihren Weg - eine Meisterin des Weglassens. Dieser Mode - so zeitlos, daß sie auch heute noch verhalten gierige Blicke anzieht - ist eine Schau im Heiligenkreuzerhof gewidmet.

Das Historische Museum der Stadt Wien und die Universität für angewandte Kunst haben ihre Archive durchforstet, um die 1990 gestorbene Couturière zu deren 100. Geburtstag zu ehren. Hundert Originalmodelle von Kostümen, Mänteln, Abendkleidern, Modezeichnungen, historische Photographien wurden mühevoll gesammelt und werden jetzt in einer transparenten Ausstellungs-Architektur (von Checo Sterneck) präsentiert.

"Es war äußerst schwierig, Informationen aus ihrem Privatleben zu erfahren", erzählt Annemarie Bönsch, Professorin für Kostümkunde an der "Angewandten". "Privates und Berufliches waren strikt getrennt". In monatelanger Arbeit hat Bönsch mit ihrem Team die Ausstellung und eine ausführliche Publikation zu Höchsmann erarbeitet, die aktuelle Modeklasse der "Angewandten" ergänzte die Schau durch eine von Höchsmann inspirierte Photoserie.

Eine gelungene, homogene Geschichte, war diese Schule doch auch die künstlerische Heimat von Höchsmann. Hier besuchte sie drei Jahre lang die Klasse von Josef Hoffmann, der eigentlich Architektur unterrichtete. Nur ließ er seinen Schülern Freiheiten in alle Richtungen - Architekturzeichnungen von Höchsmann sind nicht bekannt. Knapp ein Jahr lang entwarf die 23jährige gelernte Schneiderin dann für die Wiener Werkstätten.

Im Jahr 1927 eröffnete sie ihren ersten Modesalon, der seine endgültige Niederlassung in der Mariahilferstraße 1c fand - in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem anderen legendären Atelier: dem der Schwestern Flöge. Kontakte scheint man jedoch keine gepflegt zu haben.

Die Mode im Würgegriff

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verliert Emilie Flöge den Großteil ihrer hauptsächlich jüdischen Klientel und ist 1938 gezwungen, den Modesalon zu schließen. Höchsmann konnte weiterarbeiten. "Ihre puristische Linie zog einen anderen Kundenkreis an", meint Bönsch.

Doch auch hier blieben Wunden: Höchsmann verlor ihre Partnerin Fridl Steininger, die mit ihrem Lebensgefährten Walter Loos die Heimat aus politischen Gründen verließ. Die Zeiten waren hart, das Material knapp, die nationalsozialistische Koordinationsstelle "Haus der Mode" kontrollierte das Geschäft - die Haute Couture befand sich im Würgegriff.

Nach dem Krieg konnte Höchsmann ihren Salon vergrößern: Sie beschäftigte 50 Personen, brachte pro Jahr zwei Kollektionen mit jeweils 50 bis 60 Modellen heraus.

Eindeutig dominieren gedämpfte Farben - Grau, Braun und Höchsmanns favorisierter Ton "Taupe". Die Entwürfe waren so unauffällig, daß nur Eingeweihte die edle Herkunft erkannten - "Qualität auf den zweiten Blick", konstatierte man wenig schmeichelhaft.

Von 1959 bis 1972 leitete Höchsmann die Modeklasse der Angewandten auf ihre ganz eigene Weise: Sie war kein Freund der Zeichnung, arbeitete lieber gleich dreidimensional an Figurinen, an denen sie die Stoffe drapierte - räumliches Denken, übernommen aus der Architektur? Auch die Modezeichnungen in der Ausstellung stammen nicht von der Meisterin selbst - sie wurden nur dokumentarisch von einer Mitarbeiterin gefertigt.

Ihre Nachfolge an der Angewandten trat ihr Konkurrent an, der geschäftstüchtigere Fred Adlmüller - ein schwerer Schlag für die glühende Pädagogin und Hohepriesterin der Schlichtheit. "Bei mir kaufen sie die Kostüme, beim Adlmüller die Abendgarderobe", soll sie geklagt haben. So manche Kreation im Heiligenkreuzerhof belehrt eines Besseren.

Bis 25. Jänner. Di. bis Fr. 11-18 Uhr, Sa. 10-17 Uhr.



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