Ein wenig erinnern sie an Voodoo-Püppchen, diese
langgliedrigen weißen Körper, gerade einmal 20 Zentimeter hoch. Doch
werden die Nadeln nicht in sie hinein, sondern um sie herum gesteckt. Ein
Photo als Zeitdokument: Eifrig über ihre Arbeit gebeugt, probieren
Modeschülerinnen ihre Entwürfe an fragilen Figurinen aus. Die ernsten
Mädchen tragen Rock, schlichte Bluse und Perlenkette. Junge Doubles ihrer
Lehrerin an der Wiener "Angewandten".
Streng, unnahbar und wortkarg soll sie gewesen sein, die
Höchsmann. Ihr Leben hat sie der Mode geopfert, auf eine eigene Familie
verzichtet. Ihr Wiener Salon war Inbegriff der minimalistischen Eleganz.
Meisterin im Weglassen
Gertrud Höchsmann, 1902 in Wien geboren, war die Puristin
unter den österreichischen Couturiers, und prägte ihren Stil einer neuen
Generation von Modedesignerinnen auf. Ihr Motto in Salon und Schule: "Wem
das nicht gefällt, der kann ja gehen". Stur verfolgte sie ihren Weg - eine
Meisterin des Weglassens. Dieser Mode - so zeitlos, daß sie auch heute
noch verhalten gierige Blicke anzieht - ist eine Schau im
Heiligenkreuzerhof gewidmet.
Das Historische Museum der Stadt Wien und die Universität
für angewandte Kunst haben ihre Archive durchforstet, um die 1990
gestorbene Couturière zu deren 100. Geburtstag zu ehren. Hundert
Originalmodelle von Kostümen, Mänteln, Abendkleidern, Modezeichnungen,
historische Photographien wurden mühevoll gesammelt und werden jetzt in
einer transparenten Ausstellungs-Architektur (von Checo Sterneck)
präsentiert.
"Es war äußerst schwierig, Informationen aus ihrem
Privatleben zu erfahren", erzählt Annemarie Bönsch, Professorin für
Kostümkunde an der "Angewandten". "Privates und Berufliches waren strikt
getrennt". In monatelanger Arbeit hat Bönsch mit ihrem Team die
Ausstellung und eine ausführliche Publikation zu Höchsmann erarbeitet, die
aktuelle Modeklasse der "Angewandten" ergänzte die Schau durch eine von
Höchsmann inspirierte Photoserie.
Eine gelungene, homogene Geschichte, war diese Schule
doch auch die künstlerische Heimat von Höchsmann. Hier besuchte sie drei
Jahre lang die Klasse von Josef Hoffmann, der eigentlich Architektur
unterrichtete. Nur ließ er seinen Schülern Freiheiten in alle Richtungen -
Architekturzeichnungen von Höchsmann sind nicht bekannt. Knapp ein Jahr
lang entwarf die 23jährige gelernte Schneiderin dann für die Wiener
Werkstätten.
Im Jahr 1927 eröffnete sie ihren ersten Modesalon, der
seine endgültige Niederlassung in der Mariahilferstraße 1c fand - in
unmittelbarer Nachbarschaft zu einem anderen legendären Atelier: dem der
Schwestern Flöge. Kontakte scheint man jedoch keine gepflegt zu haben.
Die Mode im Würgegriff
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verliert
Emilie Flöge den Großteil ihrer hauptsächlich jüdischen Klientel und ist
1938 gezwungen, den Modesalon zu schließen. Höchsmann konnte
weiterarbeiten. "Ihre puristische Linie zog einen anderen Kundenkreis an",
meint Bönsch.
Doch auch hier blieben Wunden: Höchsmann verlor ihre
Partnerin Fridl Steininger, die mit ihrem Lebensgefährten Walter Loos die
Heimat aus politischen Gründen verließ. Die Zeiten waren hart, das
Material knapp, die nationalsozialistische Koordinationsstelle "Haus der
Mode" kontrollierte das Geschäft - die Haute Couture befand sich im
Würgegriff.
Nach dem Krieg konnte Höchsmann ihren Salon vergrößern:
Sie beschäftigte 50 Personen, brachte pro Jahr zwei Kollektionen mit
jeweils 50 bis 60 Modellen heraus.
Eindeutig dominieren gedämpfte Farben - Grau, Braun und
Höchsmanns favorisierter Ton "Taupe". Die Entwürfe waren so unauffällig,
daß nur Eingeweihte die edle Herkunft erkannten - "Qualität auf den
zweiten Blick", konstatierte man wenig schmeichelhaft.
Von 1959 bis 1972 leitete Höchsmann die Modeklasse der
Angewandten auf ihre ganz eigene Weise: Sie war kein Freund der Zeichnung,
arbeitete lieber gleich dreidimensional an Figurinen, an denen sie die
Stoffe drapierte - räumliches Denken, übernommen aus der Architektur? Auch
die Modezeichnungen in der Ausstellung stammen nicht von der Meisterin
selbst - sie wurden nur dokumentarisch von einer Mitarbeiterin gefertigt.
Ihre Nachfolge an der Angewandten trat ihr Konkurrent an,
der geschäftstüchtigere Fred Adlmüller - ein schwerer Schlag für die
glühende Pädagogin und Hohepriesterin der Schlichtheit. "Bei mir kaufen
sie die Kostüme, beim Adlmüller die Abendgarderobe", soll sie geklagt
haben. So manche Kreation im Heiligenkreuzerhof belehrt eines Besseren.
Bis 25. Jänner. Di. bis Fr. 11-18 Uhr, Sa. 10-17
Uhr.
© Die Presse | Wien