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15.01.2007 - Kultur&Medien / Kultur News
Claudia Schmied: "Ich lass' mir nichts gefallen!"
VON NORBERT MAYER UND BARBARA PETSCH
Interview. Die neue Bildungsministerin Claudia Schmied über die Kunst der Kultur, Geld und die Staatsoper.

Die Presse: Sie sind Bankerin. Hätten Sie auch das Finanzministerium übernommen, wenn Kanzler Alfred Gusenbauer Sie zu so einer raschen Entscheidung gedrängt hätte?

Claudia Schmied: Ja, das hätte ich gemacht.

Die Subventionen großer Kulturinstitutionen wurden lange nicht erhöht. Werden Sie die beträchtlichen Forderungen erfüllen können?

Schmied: Ich hatte die Möglichkeit, mir das eingehend bei einem großen Orchester, den Wiener Symphonikern anzuschauen . . .

Da sollen Sie aber nach einem Blick in die Bücher bald geflüchtet sein . . .

Schmied: Geflüchtet lasse ich nicht gelten. Budgets sind von der Zusammensetzung einzelner Positionen abhängig. Ein Orchester hat hohe Fixkosten. Da ist es ganz klar, dass der Bedarf steigt. Und wenn ich mich zur Orchester-Größe bekenne, sind bestimmte Mittel erforderlich. Kürzungen oder Deckeln, das wäre mir zu oberflächlich. Es geht um eine Bestandsaufnahme in den einzelnen Bereichen. Wo sind Gestaltungsspielräume, und davon abgeleitet, was ist der Budget-Bedarf? Ich werde jedenfalls immer darauf hinweisen, dass die Kultur ausreichend dotiert sein soll. Und da werde ich mich auch durchsetzen. Ich behalte mir aber vor, mir eine eigene Meinung zu bilden. Dazu brauche ich noch Zeit.

Es hat immer geheißen, Kunststaatssekretär Morak hungere Wien aus. Er hat die Beiträge des Bundes zu Wiener Kulturinstitutionen gekürzt. Kulturstadtrat Mailath hat nun jüngst gemeint, das Zusammenlegen von Bildung und Kultur sei ein Vorteil, weil man da Gelder verschieben kann. Was meinen Sie?

Schmied: Zurufe und Kommentierungen werden jetzt viele auf mich einströmen und damit auch Wünsche. Das muss ich mir genau anschauen. Klar ist, dass eine Million € im Kunstbereich mehr wiegt als im Bildungsbereich. Verschieben gefällt mir nicht.

Es ist ja in den letzten Jahren viel Hässliches über Morak & Gehrer gesagt worden. Sagen Sie doch was Nettes über Ihre Vorgänger! Und was wollen Sie anders machen als die beiden?

Schmied: Ich habe mich nie mit jemandem verglichen. Ich habe es wahrscheinlich meinen Eltern zu verdanken, dass ich nie das Gefühl des Mangels oder des Neides habe. Ich mache das, was ich gut kann, das ist sicher auch das Kommunikative, die Neugier, das Aufeinander-Zugehen. Was mich konkret emotional berührt, geärgert hat, war die Einführung der Studiengebühren. Der Bereich gehört aber nicht mehr zum Bildungsministerium. Wir leben in einer von der Wirtschaft bestimmten Welt. Da waren die Studiengebühren ein falsches Signal. Und der Kunstbereich war mir zu wenig präsent. Kultur ist ein Schatz, ein Reichtum. Auf den waren wir zuletzt zu wenig stolz.

Die wichtigste Personalentscheidung gibt es für die Staatsoper. Wie werden Sie vorgehen?

Schmied: Ich freue mich riesig, Herrn Holender persönlich kennen zu lernen. Das werde ich demnächst tun. Mir ist das Thema bewusst, aber ich glaube nicht, dass ich dieser wichtigen Entscheidung gerecht würde, wenn ich da jetzt schon eine Meinung hätte.

Werden Sie zum Opernball gehen?

Schmied: Ich habe ein wahnsinnig ambivalentes Verhältnis zu Bällen. Ich tanze nicht gerne. Ich habe schon überlegt, ob ich es nicht ähnlich machen soll wie Finanzminister Edlinger, der immer zu dieser Zeit eine Auslandsreise hatte. Aber ich weiß natürlich, ich bin da "Hausherrin". Also werde ich in der Loge sitzen, bei der Damenwahl aber wahrscheinlich nicht aktiv werden.

Was sind prinzipiell Ihre Vorstellungen zur Bildungspolitik? Was wollen Sie bewirken?

Schmied: Mein großes Anliegen ist, dass es uns gelingt, dass Bildung Freude macht, dass Schüler und Schülerinnen neugierig sind. Die Kernfrage lautet: Was muss passieren, damit Betroffene zu Beteiligten werden? Ohne Druck auszuüben. Der chilenische Biologe Humberto Maturana hat einen Essay geschrieben: "Liebe und Spiel". Er unterscheidet die patriarchale Struktur - hart, hierarchisch, von oben diktiert - vom matristischen Zugang, der mehr auf Teilhaben, Aktivierung setzt. Da liegt sehr viel von dem Stil drin, mit dem ich mich meinen künftigen Aufgaben nähern will.

Ein wichtiges Thema ist Integration. Die führenden Sozialdemokraten geben ihre Kinder gern in Privatschulen, reden aber ständig von Multikulturalität. Ist das Doppelmoral?

Schmied: So kommen wir in eine gefährliche Spirale. Gerade jetzt, wo die Wirtschaft immer dominanter wird, brauchen wir Infrastruktur, Maßnahmen für Chancengleichheit! Die Qualität der öffentlichen Systeme ist dafür sehr wichtig. Wenn man zulässt, dass deren Qualität schwindet, wenn die Menschen dann private Systeme zahlen müssen, wird die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, stark abnehmen. Denn warum soll man zweimal zahlen? Einmal für den öffentlichen Bereich, den man nicht nutzt, und einmal für den privaten Bereich?

Sie übernehmen nach zwölf Jahren ein einst rotes, jetzt aber vermutlich auf schwarz umgefärbtes Ministerium. Wie gehen Sie in Ihrem Ressort mit den "Hackelschmeißern" um?

Schmied: Ich bin bekannt dafür, dass ich offen auf alle zugehe. Aber ich lasse mir nichts gefallen! Das ist mir bisher sehr gut gelungen. In den zehn größten österreichischen Banken arbeiten 45 Vorstände, drei davon sind Frauen, jetzt leider nur noch zwei. Also ich weiß, wie ich mich durchsetze.

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