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07.11.2002 - Ausstellung
Eisenmenger: Künstler zwischen den Zeiten
Das Lebenswerk Rudolf Eisenmengers zeigt das Dom-und Diözesanmuseum.
VON ISABELLA MARBOE


Der Eiserne Vorhang in der Wiener Staatsoper ist die bekannteste Arbeit von Rudolf Eisenmenger. Diskussionen darum polarisieren, spalten das Kunstpublikum in zwei Lager. Für die einen ist Eisenmenger ein verkanntes Genie, für die anderen Mitläufer. Beides wird dem Künstler nicht gerecht. Im Wiener Dom- und Diözesanmuseum gibt es Gelegenheit, das Werk des Malers aus einer krisengeschüttelten Generation neu zu beurteilen. Hermann Rudolf Eisenmenger wurde am 7. August 1902 als Sohn eines deutschen Arztes im rumänischen Siebenbürgen geboren. Er erlebte das friedliche Zusammenleben vieler Nationalitäten auf engstem Raum, dann mußte die Familie fliehen. 1920 kam er nach Wien, wo schon Großonkel August als bedeutender Ringstraßenmaler gewirkt hatte.

"Ich will, ich kann, ich muß Maler werden", schrieb Rudolf mit 14. An der Akademie genoß er bei Prof. Hans Tichy eine gediegene zeichnerische Ausbildung, die ihn prägte. Er malte immer realistisch-figurativ. Das sicherte ihm von Ständestaat übers Nazi-Regime bis zur Nachkriegszeit Akzeptanz.

Sein außerordentliches Talent zeigt sich stark im Frühwerk. Mit 25 malte er einen "Frühling" in meisterlicher Landschaft von großer räumlicher Tiefe. Wie ein Engelswesen scheint die allegorische Frauengestalt über dem Boden zu schweben. Im transparenten Schleier, im flächigen Unterkleid, im Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund, Hell und Dunkel zeigt sich der junge Maler experimentierfreudig.

1930 war Eisenmenger als damals jüngstes Mitglied der Gesellschaft bildender Künstler in einer Ausstellung im Künstlerhaus vertreten. Das Presseecho reichte bis Paris. Dort schrieb ein Kunstkritiker: "Er ist - gottlob! - keiner, der die Zeichenkunst vernachlässigt: er hat Sinn für Komposition und respektiert die Werte." Ende 1938 übernahm Eisenmenger die provisorische Leitung des Künstlerhauses, 1939 bis 1945 war er Präsident. Zu Kriegsende verhinderte er, daß dort ein Munitionsbetrieb eingerichtet wurde.

Dreimal Sieger in der Oper

Eisenmengers Werk spiegelt eine bewegte Zeit. 1935 malte er ein "Mädchen mit grünen Handschuhen": ein verschlossenes Gesicht, kontrastreich, rätselvoll, der Umhang flächig, gestochen scharf leuchten Hände und Antlitz aus dem Dunkel. Das Selbstporträt von 1942 ist stark am damaligen Kunstgeschmack orientiert, ein skeptischer Blick aus dem überschatteten Gesicht läßt ein Bemühen um Haltung erkennen. 1946/46: "Selbstbildnis bei Kerzenschein": Die Stirne tiefgefurcht, Farben wie aus Kohlekeller, Schutt, Asche.

Drei Mal wurde der Wettbewerb zum Eisernen Vorhang ausgeschrieben, drei Mal gewann Eisenmenger anonym. Die Aufbaugeneration verlangte nicht nach der Moderne, sondern nach Trost, Vergessen, Flucht in die schöne heilende Opernwelt. "Orpheus und Eurydike": Das Sehnen nach Auferstehung aus dem Kriegsschutt prägt den "Eisernen". Eisenmengers detailreiche, dekorative Malerei verkörperte das am treffendsten.

1965 hochexpressiv: "Das schlechte Gewissen." Religiöses malte Eisenmenger oft, Kreuzwege Christi, Hoffnung und Friede. 1994: "Heimweg", das letzte Bild vor dem Tod, eine Landschaft, ganz ohne Pathos, in den erdigen, ruhigen Farben seiner Jugend.

Bis 1. 2., Di. bis Sa. 10 bis 17 Uhr.



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