Der Eiserne Vorhang in der Wiener Staatsoper ist die
bekannteste Arbeit von Rudolf Eisenmenger. Diskussionen darum
polarisieren, spalten das Kunstpublikum in zwei Lager. Für die einen ist
Eisenmenger ein verkanntes Genie, für die anderen Mitläufer. Beides wird
dem Künstler nicht gerecht. Im Wiener Dom- und Diözesanmuseum gibt es
Gelegenheit, das Werk des Malers aus einer krisengeschüttelten Generation
neu zu beurteilen. Hermann Rudolf Eisenmenger wurde am 7. August 1902
als Sohn eines deutschen Arztes im rumänischen Siebenbürgen geboren. Er
erlebte das friedliche Zusammenleben vieler Nationalitäten auf engstem
Raum, dann mußte die Familie fliehen. 1920 kam er nach Wien, wo schon
Großonkel August als bedeutender Ringstraßenmaler gewirkt hatte.
"Ich will, ich kann, ich muß Maler werden", schrieb
Rudolf mit 14. An der Akademie genoß er bei Prof. Hans Tichy eine
gediegene zeichnerische Ausbildung, die ihn prägte. Er malte immer
realistisch-figurativ. Das sicherte ihm von Ständestaat übers Nazi-Regime
bis zur Nachkriegszeit Akzeptanz.
Sein außerordentliches Talent zeigt sich stark im
Frühwerk. Mit 25 malte er einen "Frühling" in meisterlicher Landschaft von
großer räumlicher Tiefe. Wie ein Engelswesen scheint die allegorische
Frauengestalt über dem Boden zu schweben. Im transparenten Schleier, im
flächigen Unterkleid, im Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrund, Hell
und Dunkel zeigt sich der junge Maler experimentierfreudig.
1930 war Eisenmenger als damals jüngstes Mitglied der
Gesellschaft bildender Künstler in einer Ausstellung im Künstlerhaus
vertreten. Das Presseecho reichte bis Paris. Dort schrieb ein
Kunstkritiker: "Er ist - gottlob! - keiner, der die Zeichenkunst
vernachlässigt: er hat Sinn für Komposition und respektiert die Werte."
Ende 1938 übernahm Eisenmenger die provisorische Leitung des
Künstlerhauses, 1939 bis 1945 war er Präsident. Zu Kriegsende verhinderte
er, daß dort ein Munitionsbetrieb eingerichtet wurde.
Dreimal Sieger in der Oper
Eisenmengers Werk spiegelt eine bewegte Zeit. 1935 malte
er ein "Mädchen mit grünen Handschuhen": ein verschlossenes Gesicht,
kontrastreich, rätselvoll, der Umhang flächig, gestochen scharf leuchten
Hände und Antlitz aus dem Dunkel. Das Selbstporträt von 1942 ist stark am
damaligen Kunstgeschmack orientiert, ein skeptischer Blick aus dem
überschatteten Gesicht läßt ein Bemühen um Haltung erkennen. 1946/46:
"Selbstbildnis bei Kerzenschein": Die Stirne tiefgefurcht, Farben wie aus
Kohlekeller, Schutt, Asche.
Drei Mal wurde der Wettbewerb zum Eisernen Vorhang
ausgeschrieben, drei Mal gewann Eisenmenger anonym. Die Aufbaugeneration
verlangte nicht nach der Moderne, sondern nach Trost, Vergessen, Flucht in
die schöne heilende Opernwelt. "Orpheus und Eurydike": Das Sehnen nach
Auferstehung aus dem Kriegsschutt prägt den "Eisernen". Eisenmengers
detailreiche, dekorative Malerei verkörperte das am treffendsten.
1965 hochexpressiv: "Das schlechte Gewissen." Religiöses
malte Eisenmenger oft, Kreuzwege Christi, Hoffnung und Friede. 1994:
"Heimweg", das letzte Bild vor dem Tod, eine Landschaft, ganz ohne Pathos,
in den erdigen, ruhigen Farben seiner Jugend.
Bis 1. 2., Di. bis Sa. 10 bis 17 Uhr.
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