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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
22. September 2005
13:48 MESZ
Von Christa Benzer

Generali Foundation  
© Sammlung Generali Foundation, Wien. Foto: Werner Kaligofsky
Andreja Kuluncic: "Distribuive Justice", 2001–2005
(Interdisziplinäres Projekt, Website, Kunstinstallation Installationsansicht, Generali Foundation, Wien, 2005)

Persönliche Teilnahme erforderlich
Herbstausstellung der Generali Foundation: "Wie Gesellschaft und Politik ins Bild kommen"

Wien - Es könnte der Titel eines Seminars sein und die Ausstellung böte dafür auch reichlich Material. In einem Ausstellungszyklus, der die Sammlungsschwerpunkte "Kunst, Politik und Gesellschaft" ins Zentrum rückt, stehen diesmal die Möglichkeiten der Öffnung eines Kunstwerkes für Interventionen der Betrachter im Mittelpunkt.

Vier historische Positionen strukturieren die Schau. Mit der zu Recht sehr prominent platzieren Arbeit von Hans Haacke wird das Thema eingeleitet: 1969 lud der Künstler die Besucher seiner Ausstellung dazu ein, auf einer Karte ihre Wohnadresse zu markieren. Zwei Jahre später präsentierte er das Wohnortprofil der New Yorker Kunstszene in einer Kölner Galerie. Entlang einer Linie, der 5th Avenue, formieren sich die von Haacke abfotografierten Wohnhäuser der Besucher zu einem Diagramm: An den Rändern der Stadt und im Zentrum von Manhattan sind die Menschen kaum an zeitgenössischer Kunst interessiert.

Ein ähnliches Nebenergebnis ermittelte auch der englische Künstler Stephen Willats, der sein West London Resource Project 1972/73 in öffentlichen Bibliotheken präsentierte. Basierend auf einer soziologischen Methode wurden die Teilnehmer mittels Fragebogen zur Reflexion ihrer eigenen Verhaltensmuster aufgefordert. Wenn man die Aufarbeitung des aufwändigen Projekts in der Generali gründlich studiert, stellt man irgendwann fest, dass sich die Menschen in den besseren Wohngebieten nicht wirklich zur kritischen Reflexion ihrer Annehmlichkeiten überreden ließen. Dass der Fragebogen trotz aller Auswertungsschwierigkeiten nach wie vor ein wichtiges Instrumentarium partizipativer künstlerischer Praktiken geblieben ist, zeigen in der Ausstellung zwei jüngere künstlerische Beiträge: Eine von der Generali Foundation in Auftrag gegebene Mitarbeiterbefragung, die Maria Eichhorn Mitte der 90er realisierte, und eine Internetplattform, die Andreja Kuluncic 2001 initiierte.

Aber anders als das Projekt von Eichhorn, das den Angestellten ihre individuelle Bedeutung für das Unternehmen suggerierte, macht einem das Projekt von Andreja Kuluncic schon im Ansatz die relative Bedeutungslosigkeit der eigenen Meinung bewusst: der Fragebogen im Internet fordert die Besucher dazu auf, die ihrer Meinung nach korrekten politischen Statements zu Fragen der "Verteilungsgerechtigkeit" prozentual in die Höhe zu treiben.

Würde man die komplexen Kartografien, mit denen die französische Künstlergruppe Bureau d'études die ökonomische und politische Verfasstheit der Welt darzustellen versucht, wirklich erfassen, würde es das Ausfüllen des Fragebogens sicherlich erleichtern. Aber dass die Bilder des Vietnamkriegs nicht einfach durch die Bilder des Irakkrieges ersetzt werden können, weiß man auch so. Martha Rosler, die auf diese Weise ihre beeindruckenden Collagen Bringing the War Home aus den Jahren 1967-72 aktualisiert, steht mit dieser Neuauflage nicht gerade vorbildhaft für die Revision ihrer künstlerischen Praxis. Umso erfreulicher ist die Arbeit der Künstlergruppe Klub Zwei, die gemeinsam mit der SFC (Schwarze Frauen Community) antirassistische Forderungen erarbeitet hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.09.2005)


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