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KONZERTE: Viel Publikum im OMV-Klangpark an der Donau und bei Mobiltelefon-Komposition

Zweihundert Handys in musikalischer Legebatterie

Dicht an dicht hocken sie auf ihren Plätzen. "Dü düdü düdü düdü dü düüü" - "brrrrrr" - "zklong, zklong" - "Brrzzzl, brrzzzl", pressen sie ihre Klangeier aus den blinkenden Bürzeln: "didldidldudldi" - "Trääträät" - "gschrr". Dazu sind sie schließlich auch da, die Handys, die hier in einer quasi musikalischen Legebatterie eifrig produzieren. Von artgerechter Handy-Haltung spricht da keiner. Schließlich ist dieses Handy auch nicht aus der Gattung derer von Federvieh, sondern derer von Mobiltelefon und somit Bestandteil von "dialtones", einer Komposition, die der Amerikaner Golan Levin am Sonntag-Spätabend im Großen Saal des Linzer Brucknerhauses realisiert.
Eine halbstündige Komposition, in denen die Klingeltöne von 200 Besuchern registriert und elektronisch abrufbar gemacht werden. Aneinander gekoppelt, verfremdet und durch eine spezielle Lichtchoreografie auch optisch mitvollziehbar, entwickeln sich höchst absurde musikalische Kuriosa.
Zitate von Bach über Zufall bis Mozart, die heutzutage häufig den Klangfluss von Konzerten und Opern-Aufführungen stören, werden bewusst verwendet. Dass das Klangspektrum nach einer Viertelstunde ausgelutscht ist und die Lauscher in akute Ermüdungsgefahr kippen, versteht sich bei der Wahl dieser Instrumente von selbst. Golan Levin war denn auch so klug, sein mehrsätziges Klingelwerk nicht über eine halbe Stunde auszudehnen.
Am spannendsten ist die Handy-Melange jedenfalls dort, wo das Ineinander der Sounds so dicht wird, dass sich die Melodien nicht mehr erkennbar sind, sondern sich zu einem schwebenden, vibrierenden Geflecht verschlingen. Unterstützt vom Know-how des AEC Future Lab (Joris Gruber, Jörg Lehner, Erich Semlak) spielen neben Kompositeur Levin noch Scott Gibbons, Greg Shakar und Yasmin Sohrawardy an den "Solo-Handys".
Als Satire ist die Aktion durchaus gelungen, doch über den strukturellen Aufbau der Komposition sollte man sich keine allzu ernsthaften Gedanken machen.

Chill Out im Donaupark
Für all jene, an denen diverse Zeitgeister immer unbemerkt vorbeischweben: "Chill Out" ist für alle "Kids" und solche, die sich gern lebenslang dazu zählen täten, der aktuelle Ausdruck für "Entspannung".
Und die gab es ebenfalls am Sonntag. Beim OMV-Klangpark, der noch immer als eine der besten Ideen der letzten Ars-Zeit gilt. Diesmal servierte der finnische Schlagzeuger Vladislav Delay "Musik für einen Fluss und für Passanten". Wobei sich Letztere auf und neben den ob der Herbstkühle benutzerfreundlichen großen Matten im Geviert des Klangwolken-Equipments lagerten und sich einfach dem Genuss hingaben.
Dem Genuss eines dramatischen Naturschauspiels in Form von Abendrot, -rosa, -grüngelb, -blau samt Strato- und Cumulusgewölk zum einen. Dem Genuss von rhythmisch perfekt geschichteten Klängen, die manchmal an sachtes Herumkramen in Dachböden, an Besuche in Trafostationen, und mitunter an heftiges Hummelgebrumm erinnerten. Wenig Steigerungen, Chill Out eben.
Vladislav Delay präsentiert übrigens bis 6. 9. (11-19 Uhr) im Donaupark sein Projekt "Real Space Streaming".


OÖN vom 04.09.01 zuletzt geändert am: 03.09.01 18:05:24


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