DiePresse.com | Kultur | News | Artikel DruckenArtikel drucken


Kunsthaus Graz: Eingefrorene Explosionen

18.03.2008 | 19:25 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Direktor Peter Pakesch zeigt in drei Teilen die Sammlung von Francesca Habsburg. Einfach so.

Man kann es sich leicht machen und in einer Kunsthalle große Ausstellungen großer Namen zeigen. Oder man macht es sich noch leichter und verschreibt sich acht Monate lang einer einzigen, bestens betreuten Privatsammlung. Letzteren Weg hat heuer Peter Pakesch, Direktor des Kunsthauses Graz, gewählt. „Die Sammlung als Aleph“ lautet die an eine Erzählung des Argentiniers Jorge Luis Borges gemahnende Überschrift, unter der von März bis Oktober gleich drei ineinanderfließende Kapitel aus Francesca Habsburgs sonst in Wien beheimateten Sammlung aufgeschlagen werden sollen.

Die Auswahl für diese insgesamt also drei Wechselausstellungen im mittleren Kunsthausgeschoß trafen Habsburgs Kuratorin Daniela Zyman und Kunsthaus-Kurator Adam Budak, der wohl ziemlich mit der Vorbereitung der „Manifesta 7“ beschäftigt ist. Die europäische Biennale zeitgenössischer Kunst findet von 19.Juli bis 2.September in Südtirol und dem Trentino statt, Budak ist einer von vier Kuratoren. Eine Ehre. Und anscheinend auch Anlass für eine Recreation-Phase in seinem Graz-Engagement, das der gebürtige Pole die letzten Jahre auf wirklich internationalem Niveau und oft unbedankt erfüllt.

Zumindest qualitativ ist dieses Niveau mit Habsburgs Sammlung, deren Werke zum Teil ihre Thyssen-Bornemisza-Art-Contemporary-Stiftung selbst produziert und finanziert, locker zu halten. Es gäbe bei weitem bedenklichere Partner für eine derart langfristige, in musealen Zusammenhängen aber trotzdem immer fragwürdige Präsentation einer Privatsammlung. Geprägt ist diese von eskapistischen Multimedia-Installationen, einem weitgehend unerschrockenen Gefühl für Poesie und, nicht zuletzt, einem herausstechend großen Anteil an Künstlerinnen. An sich also kein schlechter Fang für das ständig vom künstlerischen Abseits bedrohte Graz.


Total verspiegelt, total surreal

Hier im Mittelgeschoß des Kunsthauses, an einem Ort des Durchgangs, des Transits, zu betreten und zu verlassen auf zwei spacigen Rollbahnen, kann man jetzt kurz austreten in ein bisschen gefühlte Unendlichkeit. Carsten Höllers hypnotisch blinkendes Show-Tunnelkreuz schleust einen direkt hinein ins Zauberreich. Wesentlich unterstützt übrigens durch total verspiegelte Seitenwände, einer Konstruktion vom Wiener Architekturbüro „the next enterprise“. Sie macht Surreales noch surrealer, lässt einen nicht nur sich selbst sondern auch getrost den konstruierten literarischen „Aleph“-Überbau aus dem Hinterkopf verlieren. So bleiben vor allem spektakuläre Einzelwerke hängen wie die Illusion des kubanisches Duos „Los Carpinteros“, das wie durch Zauberhand eine gerade explodierende Betonziegelwand vor unseren Augen einfriert (mittels transparenter Fäden). Oder Sarah Lucas' entrückte Leuchtschrift „I Dream of Sleep“.

Wenn Raum und Zeit jetzt tatsächlich keine Rolle spielten, tatsächlich das Aleph herrschte, würde man ungefähr jetzt auch vom Grazer Kunsthaus in den Dachboden von Habsburgs Wiener Palais-Räumen switchen, wo zwischen alten Balken Pipilotti Rists weiße Spitzenvorhänge schweben, über die traumhaft Projektionen fremder Tagträume gleiten. Drei Stockwerke darunter nur dann der Alptraum, Monika Sosnowskas labyrinthisch-klaustrophobische Türen-Installation.

Ob es wie in Wien um Untersuchungen innerer und äußerer Räume geht oder wie in Graz um Borges' Aleph – zu sehen bekommt man eine Sammlung mit Mut zu Humor und Effekt, die sich um ihre schweren Theorieüberbauten wenig scheren braucht.

Kunsthaus Graz: bis 26.10., Di.–So. 10–18h; T-B A21, bis 21.9., Himmelpfortg. 13, Wien 1, Di.–So. 12–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2008)


© DiePresse.com