Wien Museum: "Wiener Linien. Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960" -
Künstler sehen Wien
Die Nervenbahnen einer Großstadt
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer Die von Wolfgang Kos, Gitti
Huck und Lisa Wögenstein konzipierte Schau "Wiener Linien. Kunst und
Stadtbeobachtung seit 1960" dehnt sich über die Museumsräume im Erdgeschoß
und dem Stiegenhaus (Paul Albert Leitners Fotografien) bis in den
wirklichen Stadtraum Karlsplatz aus.
Vor dem Haus parkt das Indikatormobil der Gruppe
transparadiso (Barbara Holub und Paul Rajakovics), im Otto-
Wagner-Pavillon geht es um Fundstücke und Rekonstruktion der
legendär-mysteriösen U-Bahn-Linie 5 durch das Künstlerteam Mahony. Im
Auditorium lässt Octavian Trauttmanssdorff seine Sozialreportage (trashige
Fotografien) von Ansichten der Kärntner Straße auf
Wellpappkarton-Installation "Wiener Linie" in ein Wellpappe-Haus von Hans
Schabus wachsen, in dem der Film "Western" zu verfolgen ist: eine Fahrt
des Künstlers mit einem selbstgebauten Segelboot im Wiener
Untergrund-Kanalsystem - Orson Wells lässt grüßen! (Boot und ein Foto des
Gefährts im East River in New York sind weitere Teile des Ganzen.)
Diese Beispiele zeigen bereits, dass es nicht um eine Ansicht Wiens
und seiner Baudenkmale wie in einem Fremdenverkehrsprospekt geht, seit die
KünstlerInnen sich ab 1960 mit einer Art (der Methode des Strukturalismus
nahestehenden) Recherche auseinander setzten - der Stephansturm ist zwar
zuweilen in den Expeditionen (Blick vom Fenster: Wahrnehmung des
Gesichtsfelds) enthalten, kann aber wie im Materialbild Wolfgang Ernsts in
Erde versinken, im Aquarell (Kurt Kocherscheidts von 1989) verwaschen oder
in der Zeichnung Max Peintners fragmentiert und verwischt aufscheinen. Im
großen Zyklus von Fritz Simak ist dann die Oper zu finden - im Prozess
ihrer Fassadenwaschung; Valie Export hatte vor diesem Gebäude schon in den
siebziger Jahren große digitale Stadtleinwände angedacht und im
"Zeitgedicht" konzeptuell im Stundentakt die Grünangergasse fotografiert.
Doch wesentliche Beobachtungen führen an die Peripherien: Elfriede
Mejchar und Johannes Faber haben die Industriezonen Wienerberg und
Inzersdorf dokumentiert, Maria Theresia Litschauer in ihren "Non-Sites"
die Treppen und Röhrengänge der U-Bahn: Antiräume. Wien ist dabei nur mehr
ein Modellfall im Thema Metropole. Die verschiedensten Medien wurden von
den KünstlerInnen genützt: Filme von Kurt Kren, Ernst Schmidt jr., Franz
Zadrazil u. a. bilden Inhalt einer Koje, nachdem der Empfang im Vorraum
durch Günter Brus' "Stadtspaziergang" von 1965 und Herwig Kempingers frühe
Fotomontagen sowie Baustellen, die am Computer verändert die Vorlagen für
schwarzweiße Aquarelle bilden: hier ist die urbane Realität
Science-Fiction. Padhi Friebergers plastisches Konstrukt "Scheissbrauner
Lipizzaner" nimmt das am meisten vermarktete Tier der Wiener zum Anlass
ein Anti-Denkmal zu collagieren und auch Ingeborg Strobl setzt sich neben
Ann-Sofi Sidén (historisch) kritisch mit den weißen Pferden auseinander.
Kunst und Wissenschaft, Recherche bis ins Barock und die Zeit des
Nationalsozialismus erweitern die Experimente und Expeditionen der
KünstlerInnen. Werner DePauli-Schimanovich lieferte als stadtplanender
Universalforscher Varianten für neue Stadtwälder oder U-Bahn-Führungen in
Projektstudien der VIEMOD, die von Stadträten in den Siebzigerjahren
heftig bekämpft wurde; Peter Weibel (der mit seiner konzeptuellen
Fotoserie zur Texttafel "Stiegenhaus" vertreten ist) hatte mit ihm für
eine Computersteuerung der Straßenbahn plädiert. Die Gemeindebauten
und das Rote Wien untersuchten Missing Link, Friedl Kubelka-Bondy oder
Michael Zinganel (neue Nutzung der Gemeinschaftsräume). Die allzu
nationale Sicht wird unterbrochen von Gastkünstlern und Neuwienern wie
Gülsün Karamustafa, Martin Kippenberger (in dem von Didi Sattmann
dokumentierten Fiakerrennen mit Albert Oehlen), Jakob Kolding, Jonathan
Monk, Christian Philipp Müller etc. Weitere TeilnehmerInnen der in
lexikalische Begriffsgruppen wie Sammlung, Fragment, Seriell oder
Untersuchung gegliederten Ausstellung (bis 20. Juni): William Anastasi,
Thomas Baumann & Martin Kaltner, Büro Wien, Heinz Cibulka, Georgia
Creimer, Peter Dressler, gangart, Ursula Mayer, Bodo Hell, Candida Höfer,
Leo und Johanna Kandl, Hans Kupelwieser u. v. a.
Erschienen am: 14.06.2004 |
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