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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
26. September 2005
14:24 MESZ
Von
Thomas Trenkler

Kommentar

Staat machen mit Nitsch
Von Peter Vujica
 
Foto: REUTERS/Prammer
Probenfoto von Igor Strawinskis Ballett "Renard" an der Wiener Staatsoper

Staatsoper entfernt Nitsch-Bühnenbild: "Wir spielen für das Publikum"
Ballettdirektor Harangozó steht dazu, auf Nitsch-Video zu verzichten. Mit Kommentar

Wien – Gyula Harangozó, Ballettdirektor von Staats- und Volksoper, nimmt es im Gespräch mit dem STANDARD auf seine "Kappe", dass die Renard-Choreografie, ein Teil des Diaghilew-Abends in der Staatsoper, künftig ohne das Bühnenbild, eine geraffte Dokumentation über die Aktionen von Hermann Nitsch, aufgeführt wird. Choreograf Renato Zanella, sein Vorgänger, sei zwar nicht erfreut gewesen, habe aber sein Okay gegeben. Er habe auch Staatsoperndirektor Ioan Holender informiert, und dieser habe ihm die Entscheidung überlassen. Harangozó leitet die beiden Compagnien künstlerisch und finanziell autonom.

Sein Entschluss habe nichts damit zu tun, dass Nitsch am 19. November im Burgtheater gastieren wird (was schon zahlreiche wütende Krone-Leserbriefschreiber auf den Plan rief). Es sei auch nicht seine Absicht gewesen, in die Choreografie einzugreifen. Aber nach der Wiederaufnahme am 11. September sei der Schritt notwendig geworden, weil das Publikum zum überwiegenden Teil mit heftigen Unmutsäußerungen reagiert habe. Er müsse seine Tänzer schützen, die angesichts der Pfui-Orgien zu weinen angefangen hätten, erklärt Harangozó: "Wir spielen ja für das (Abonnement)-‑ Publikum. Ich will niemandem etwas aufzwingen." Den Vorwurf, populistisch zu agieren, weist er aber von sich.

Nitsch, der von einem "Akt der Zensur" spricht, meinte, dass der Film sich sehr wohl auf den Inhalt beziehe. In Renard will ein Fuchs Tiere erlegen – und wird schließlich selbst umgebracht. 1999 hatte sein Bühnenbild für Zanellas Choreografie Mythos keine vergleichbaren Proteste ausgelöst. Und die Massenet-Oper Herodiade, 1995 von Nitsch ausgestattet und mitinszeniert, war ein Riesenerfolg.

Wolfgang Zinggl, Kultursprecher der Grünen, kommentierte: "Dass Nitsch vom biedermeierlichen Teil des Publikums abgelehnt wird, hat in Österreich Tradition. Dass aber diesem Teil Tribut gezollt wird, als würde die Staatsoper nur für Menschen finanziert, die kein Blut sehen können, macht mich nachdenklich. Ist die Oper ein Ort der lebendigen Kunst, oder bestimmt tatsächlich im Hintergrund ein erzkonservatives Publikum, wofür das viele Geld ausgegeben werden darf?" (DER STANDARD, Printausgabe vom 23.9.2005)


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