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Kunstberichte

Kunsthalle und Kunstforum Wien: Die Ausstellung "Superstars" nimmt ihr Thema kritisch unter die Lupe

Wie viele sind besser als ein Einziger?

 Die Ikone der Pop-Art aus der Sicht von Stern Bert:

Die Ikone der Pop-Art aus der Sicht von Stern Bert: "Marilyn Monroe, The Last Sitting" (1962). Der Künstler, Courtesy Staley-Wise Gallery New York

 Die Ikone der Pop-Art aus der Sicht von Stern Bert:

Die Ikone der Pop-Art aus der Sicht von Stern Bert: "Marilyn Monroe, The Last Sitting" (1962). Der Künstler, Courtesy Staley-Wise Gallery New York

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Titel und Plakate der Ausstellungen "Superstars - von Warhol bis Madonna" provozieren erst einmal eine Ablehnung. Der mittelalterliche Drohbegriff vom "Jahrmarkt der Eitelkeiten" stößt da schnell auf. Oder eben der Möchtegern-Zustand der meisten Zeitgenossen einer Spaßgesellschaft.

Diese Aufarbeitung des Themas von Thomas Miessgang und Florian Steininger könnte freilich auch "Superstar-Antistar" heißen. Historisch gesehen ist sie eine Hommage an Andy Warhol, in der Theorie den Kultbücher des deutschen Soziologen Klaus Theweleit folgend. Er hat vor Jahrzehnten mit dem mehrbändigen "Buch der Könige" die Problemkreise, die auch hier angesprochen sind, vorgegeben. Schade, dass er nicht im gemeinsamen Katalog der beiden Häuser mitschreibt, an dem Elisabeth Bronfen oder Georg Franck mitgearbeitet haben.

Klar vom Konzept ist in der Kunsthalle stärker die Gegenwartskunst herangezogen, und im Kunstforum finden sich auch Klassiker wie Malewitsch, Picasso, Duchamp. Aber es gibt viele Überschneidungen, da der Begriff "Superstar" 1964 in einer Zeitung der Beatgeneration erstmals auftaucht. Das Musical "Jesus Christ Superstar" begann seinen Siegeszug erst 1970.

Doch die vergangenen Jahrzehnte machten auch berühmte Maler und Bilder der Renaissance zu Superstars – Michelangelo, Leonardo und vor allem dessen Porträt der "Mona Lisa".

Abgesang an die Helden in Kunst und Kommerz

Ein wenig zu kurz kommen die Führergestalten, die in vielen Jugendzimmern um 1970 als Plakate neben Elvis oder der Monroe hingen: Mao oder Ché, die als Kultbilder der politischen Ersatzreligion des Kommunismus vorübergehend salonfähig wurden. Das berühmte Foto von Ché taucht zwar neben John F. Kennedy auch in aktueller Kunst nach wie vor auf, der Inhalt ist jedoch gebrochen.

Füllen die Superstars wirklich die heutigen Autoritätslücken für die Jugendlichen? Oder ist es doch nur ein schöner Abgesang an die Helden in Kunst und Kommerz?

Andy Warhol ist Prophet und personifizierte Thematik: er sah selbst voraus, dass die Logos von Coca-Cola und Campbell Soup zu Stars erklärt werden können. Sein Porträt von Joseph Beuys mit Silberstaub, eine seiner "Jackies" und die vervielfachte Mona Lisa ("Thirty are better than one") hängen im Kunstforum neben dem berühmt-berüchtigten Künstlerkot, den Piero Manzoni in Dosen füllte.

Eine besonders kritische Rolle nimmt neben vielen anderen Fotografen der in Wien lebende Münchner Matthias Herrmann ein, der Aktionismus, Body-Art und Gay Art ironisiert und kritisiert. Er nennt es auch eine Abwehrreaktion mit Hilfe der Peinlichkeit, sich anhaltend als Geschlechtsprotz zu zeigen. Und in der Tat sind Erotik und Sexualität wichtige Faktoren des Starruhms, auch wenn er nur 15 Minuten dauert, wie Warhol bereits voraussagte.

Marilyn Monroe, stilisiert zum Rätsel der Weiblichkeit

Viele wirklich berühmte und interessante Werke von Cindy Sherman, Nam June Paik, Claes Oldenburg, Jeff Koons, Sam Taylor Wood und zahlreichen anderen sind um diese Themenkreise geordnet.

Am Schluss bleibt die Monroe, frühverstorben, rätselhaft, erst später hochstilisiert zum lockend Weiblichen, das schon Goethes Faust abschließend hinanzog. Oder vielleicht noch besser die hier nicht erwähnte Schöpferin des minimalistischen Vietnam Denkmals in Washington, die von sich sagte: "Nobody knows me, but I like that."

Was Wer Wo Wie

Superstars von Warhol bis Madonna Ausstellung

Kuratoren: Thomas Miessgang, Florian Steininger

Kunsthalle

1010, Museumsplatz 1

Kunstforum

1010, Freyung 8

Zu sehen bis 22. 2. 2006

Kunst als sprengende Kraft für Sternchen.

Freitag, 04. November 2005


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