text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst | ars electronica 
31. August 2005
20:05 MESZ
Von
Markus Mittringer  
Foto: AEC
Yuki Hashimoto wollte Sinneseindrücke auch virtuell erfahrbar machen - und hat also einen Strohhalm aufgerüstet.

Der jüngste Strohhalm, der allerletzte Schrei
Erste Eindrücke von der Ars Electronica: recht eigenartige Kreaturen und paradoxe Maschinen

Erste Eindrücke von der Ars Electronica, die am Donnerstag offiziell eröffnet wird und sich dem Thema "Hybrid - living in paradox" widmet: Zu sehen sind recht eigenartige Kreaturen und paradoxe Maschinen.


Linz - Wir schreiben Mittwoch, den Tag vor der offiziellen Eröffnung der Ars Electronica 2005, und zumindest im Stammsitz des Festivals, im Ars Electronica Center, ist Publikumsbeteiligung angesagt - weniger im Sinn einer aus der bildenden Kunst her berüchtigten Vorvernissage als vielmehr theatermäßig. Eine öffentliche Generalprobe also.

Und: Erstens hat so weit alles funktioniert, zweites betätigten sich schon vormittags allerhand Neugierige schwer interaktiv. Vor allem Kinder.

Weil: Zum Beispiel ist Seilhüpfen angesagt. Und das funktioniert auch im Futurelab-Rahmen fast wie unten im Hof. Nur: Das Kind kann sich glücklicherweise nicht verletzen, weil es sich das Seil nämlich denken muss. Wohl findet sich der Ausübende recht konventionell zwischen zwei taktgebenden Personen wieder, und die finden auch die richtigen Worte zu Erfolg oder Misserfolg der Übung, aber da selbst der hochauflösendste Monitor bis heute plan geblieben ist, reicht kein Zipfel Seil bis in die Mitte, bis dorthin, wo das Kind fremdgesteuert hochhüpft. Und dennoch: Wie eh und je kann man sich leicht verhaspeln, das "Jumping Robe" zwischen die Beine bekommen und: Reaktionen ernten. Und dann, eingekastelt zwischen den virtuellen Spielpartnern, an die eigene, die verblasste Jugend denken.

Virtuelle Wasserpfeife

Derart rückwärtsprogrammiert kommt man schnell über ferne Nuckelerlebnisse ins Grübeln. Kein Problem: Auch die sind mit Beteiligung stillbar. Wenn auch etwas viele nur angedeutet. Yuki Hashimoto hat sich - wieso auch immer - gedacht, man müsste Sinneseindrücke auch virtuell erfahren können; und hat also ein echt revolutionäres Interface erfunden: einen aufgerüsteten Strohhalm. Und mit diesem sollen sich jene Glücksmomente simulieren lassen, denen der Mensch von der Mutterbrust bis hin zum Brustkrebs so gerne nachhängt. Wohlig ums Herz soll es jenen werden, die derart hochgerüstet am Bild eines Apfels saugen, sich das Bild eines Spiegeleis reinziehen, oder - rechtlich unbedenklich - einen kräftigen Zug aus der Wasserpfeife nehmen.

Wie alle bisher bekannten Simulationen hat aber auch das virtuelle Nuckeln seine Nachteile. Mag der Künstler auch noch so stolz verkünden, dass es erstmals gelungen sei, den Sinneseindruck "Saugen" von Geschmack und Geruch der erwartungsvoll inhalierten Materie zu trennen, so hinterbleibt man als Konsument doch recht unbefriedigt. Die "Wunderwelt" des Trinkens erschließt sich ja doch nicht so ganz, wenn der Abusus keine Folgen zeitigt. Yuki Hashimoto dürfte das irgendwie auch vermutet haben, muss man doch seinen Getränken in der Art von herkömmlichen Videospielen nachjagen, um sich zumindest an jenen durch das erfolgreiche Fangen ausgelösten Glückshormonen berauschen zu können.

Am Linzer Hauptplatz - traditionell auch ein Zentrum der volksnahen Einführung in die Wunder der Technologie (und deren philosophischer Implikationen) - läuft derweilen alles bestens, den Kreaturen des Niederländischen Schöpfers Theo Jansen ihr gewohntes Biotop zu bereiten. Das heißt, es werden Tonnen von Sand aufgeschüttet, um Wesen aus Plastikrohren eine Umgebung zu bieten, die ihre Schlauchbinder-Gelenke nicht übermäßig belastet. Noch liegen die windgetriebenen Strandläufer recht passiv am Fuzo-Granit und harren der anderen Hybriden, die dieser Woche nach Linz kommen werden; um Auskunft zu geben über den Stand der Dinge Selbstüberschätzung, Einbildung und Fruchtgewinn aus Kreuzung. Womöglich haben sie ja die Melodien in den Nylonohren, die Jin-Yo Moks Musik Box ohne jede Hemmschwelle wiedergibt. Diese interaktive Installation greift auch auf einen alten Spaßklassiker zurück: die Spieldose. Man kann in fast unendlichen Variationen selbst bestimmen, was erklingen soll: einfach ein paar Punkte einer Matrix markieren, und schon spielt die neumoderne Walze, was immer man ihr abverlangt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.9.2005)


© 2005 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.