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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
04. August 2008
17:34 MESZ

Bis 2. 11.

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www.k08.at

 

Die in Weißrussland geborene Künstlerin Alina Kunitsyna lebt heute im Kärntner Ort Damtschach, wo die Ruhm-Schülerin (Digitale Medien) zur gegenständlichen Malerei zurückkehrte. "Ksenija" (2005) wird daher im Museum Nötscher Kreis gezeigt.


Handzahme Konfrontationen
Das Land Kärnten investierte in die sonst stiefmütterlich bedachte Sparte bildende Kunst außergewöhnliche 1,1 Millionen Euro: "K08. Emanzipation und Konfrontation"

Klagenfurt / Villach - Äcker, die lange Zeit ohne Niederschlag auskommen müssen, dörren aus, bekommen breite Risse. Wenn es dann doch einmal aus vollen Rohren regnet, versickert vieles von dem kostbaren Nass, kommt anderen Wasserspeichern zugute. In Kärnten hat es für die stets unterdotierte Kunstlandschaft heuer mit 1,1 Millionen Euro einen Wolkenbruch gegeben. So viel hat sich die Kulturabteilung des Landes ihr neues, an die große Schau Eremiten - Kosmopoliten von 2004 anschließendes Renommierprojekt kosten lassen.

An der zukünftigen Dotierung für bildende Kunst wird K08. Emanzipation und Konfrontation wohl nichts ändern. In Sachen Nachhaltigkeit wird nach Jahren, wenn der Mantel des Vergessens über die bei mehreren Lokalaugenscheinen mager besuchte Schau gebreitet sein wird, aber der dreiteilige und überdies viersprachig (Deutsch, Slowenisch, Italienisch und Englisch) abgefasste Katalog geblieben sein.

Agnes Husslein-Arco, die 2006 als designierte Belvedere-Direktorin die neuerliche Betreuung des Großprojekts ablehnte, empfahl an ihrer statt für den neuen Gewaltakt, der den Großteil der Kärntner Kunstschaffenden, acht Spielorte und den öffentlichen Raum umfasst, Sylvie Aigner.

Eine derartige Gesamtschau der Kärntner Kunst und Architektur nach dem Neuaufbruch 1945 hat es hierzulande zuvor noch nie gegeben. Sogar Kritiker von Landeshauptmann Jörg Haider, wie Valentin Oman, wurden mit Werken aus den Beständen des Landes präsentiert. Manche allerdings, die aus der Kärntner Kunstszene nicht wegzudenken sind, kommen überhaupt nicht vor, darunter etwa Franz Motschnig, Paul Kulnig oder Alois Köchl. Fast hat es den Anschein, als hätte sich das Gros der Künstler nach jahrelangem Kampf nun mit Haider arrangiert.

Wir erinnern uns kurz: "Ihr seid's Scheißhund, ihr Künstler" , schleuderte einst Haiders Adlatus Gernot Rumpold den Renitenten entgegen, als viele von ihnen 1989 gegen den frisch gekürten ersten blauen Landeshauptmann zu Felde zogen und von diesem prompt als "subventionsabhängige Lemminge" abgekanzelt wurden. Den aus der slowenischen Volksgruppe stammenden Künstler Valentin Oman forderte Haider schlichtweg auf, das Land zu verlassen. Tiefpunkt der Auseinandersetzung zwischen Haider und den Kärntner Kulturschaffenden war schließlich die beschämende und demütigende Hatz auf Cornelius Kolig, der den Saal mit den abgeschlagenen Fresken seines Großvaters Anton Kolig neu gestalten sollte.

Irritation und Masturbation

"Kunst soll nicht eine elitäre Beschränkung, sondern demokratische Offenheit erfahren" , tönt es von Seite Haiders heute. Zum Ausstellungsstart betonte er, der heuer noch eine Parlaments- und 2009 eine Landtagswahl schlagen muss, die gewährten Freiheiten gegenüber der erfahrenen Autorin und Kuratorin Aigner.

Peter Putz, Künstler und Direktor des "Ewigen Archivs" , fordert gegenüber dem Standard, dass der Kärntner Kulturskandal um Kolig in K08 "zentral und eindeutig thematisiert" werden solle, andernfalls erschiene ihm der Titel "‚Irritation und Masturbation‘ adäquater" . Der Titel Emanzipation und Konfrontation kann in Bezug auf Kärnten, das sich bisher nicht gerade durch Kunst- und Kritikfreudigkeit hervorgetan hat, tatsächlich leicht in die Irre führen. Aigner bezieht sich damit unter anderem auf die Pariser Ausstellung Véhémence Confrontée von 1948, die für Maria Lassnig und Arnulf Rainer richtungweisend war und das Informel über die beiden Protagonisten somit auch nach Österreich - nach Kärnten - brachte.

Und in der Tat erweist sich die Ausstellung als Aneinanderreihung von nahezu konfliktfreien, nach kunsthistorischen, thematischen und formalen Gesetzmäßigkeiten funktionierenden Räumen. In dieser Glätte steht K08 der Großausstellung Eremiten - Kosmopoliten von 2004 um nichts nach: Auch hier hatte man Kärnten als Rückzugsort der Moderne gepriesen, was zulasten einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Kunst im Nationalsozialismus ging.

Das Museum moderner Kunst in Klagenfurt, deren Leiterin Andrea Madesta lediglich eine Mitteilung erhielt, dass sie ihr Haus für den Zeitraum der Kunstschau zur Verfügung zu stellen habe, beherbergt den größten Ausstellungsteil. Dort heißt es zur konzeptuellen mit "aktuellen politischen oder gesellschaftspolitischen Situationen im Land" befassten Kunst: "War dieser Komplex bereits in der Kärntner Kunst der letzten Jahrzehnte präsent, so fällt auf, dass sich eine jüngere Generation nun erneut mit der Frage nach dem Leben in einem Land mit zwei Sprachgruppen auseinandersetzt." Die Spur naiver Verwunderung, die dabei durchdringt, darf nur empörtes Unverständnis ernten: Ebendiese künstlerische Beschäftigungen "der letzten Jahrzehnte" sucht man fast vergeblich; sie findet wenn, dann nur schaumgebremst statt. WessenKritik nicht nach Villacher Fasching aussieht, hat es schwer.

Wie schnell die Wogen vonseiten der Kulturabteilung hochgehen können, wundert den in Wien lebenden Künstler Ernst Logar schon. Für die aktuelle Ausstellung hatte er auf seine Arbeit Das Ende der Erinnerung, die sich mit der Geschichte der Kärntner Partisanen beschäftigt, pochen müssen. In den jüngsten Installationen dieser Arbeit bezog er die Geschichte der Räume bewusst mit ein. Nur logisch für Logar, dass er die Klagenfurter Burg, heute Sitz des Museums moderner Kunst, auch historisch richtig als "ehemalige Gestapostelle Klagenfurt" benennen darf. Schließlich wurden viele der von ihm interviewten Zeitzeugen auch dort verhört: "Es ist symptomatisch für den Umgang mit der eigenen Geschichte. Die Aufregung zeigt, dass die Ereignisse bis heute verdrängt werden. Sonst wäre die Benennung des Ortes auf meiner Einladungskarte kein Problem gewesen." (Anne Katrin Feßler, Elisabeth Steiner, DER STANDARD/Printausgabe, 05.08.2008)


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