Diagonale 2001

 

 

 

 

Herwig G. Höller

 

 

Diverse Kinos
Graz
19.3.2001 - 24.3.2001

 

Wollte man die Diagonale 2001 nach gängigen Kriterien wie Publikumserfolg, Medienresonanz und Rezeption innerhalb der Branche beziehungsweise Community bewerten, so darf auch die diesjährige Schau des österreichischen Filmschaffens durchaus wieder als Erfolg bezeichnet werden. Insgesamt 119 Produktionen lockten an 6 Tagen fast 20.000 Menschen in die drei Grazer Festivalkinos, fast 50% Prozent der Vorstellungen waren gänzlich ausverkauft. Wie die IntendantInnen Christine Dollhofer und Constantin Wulff in ihrem pointierten Eröffnungsstatement klar machten, war Politik auch auf der diesjährigen Diagonale ein zentrales Thema. Worten folgten Programmschienen, die sich facettenreich mit dem Spannungsfeld von Film und Politik auseinander setzten. Etwa »Lights out in Europe«, filmischen Interventionen gegen Faschismus aus den dreißiger und vierziger Jahren, oder Gustav Ucickys Werbefilm »Wort und Tat«, mit dem 1938 für den »Anschluss« geworben wurde. Aktuelle Arbeiten setzten sich zu einem Gutteil mit der konkreten politischen Situation in Österreich auseinander, so zum Beispiel Ruth Maders propagandistischer Kurzfilm »Null Defizit«, der »die neue Art des Regierens« thematisierte, und auch eine weitere Kompilation von »Die Kunst der Stunde ist Widerstand«, aktuellen Kurzvideos, die mit zeitlicher auch ironische Distanz und damit deutlich an Qualität gewonnen haben.
In mittlerweile 10 Kurzvideos dokumentiert Hito Steyerl mit minimalen filmischen Mitteln erschreckende antisemitische und ausländerfeindliche »Normalitäten 1-10« und positionierte sich damit – wie auch das Sonderprogramm »Politik bilden!« mit dem Video »Dienstleistung: Fluchthilfe« von Martin Krenn und Oliver Ressler – explizit »an der Schnittstelle von politischem Engagement und audiovisueller Reflexion«. »Normale Zeiten« von Elisabeth Scharang hingegen rekonstruiert politische Visionen der Kreisky-Ära, ergänzt den konsumistischen Diskurs von Wickie-Slime-etc. um eine politische Komponente. Die staatliche Jugendfilmkommission stufte die Regisseurin dafür quasi als linkslink ein und beschied, dass der Film lediglich »als Beleg für die Toleranz sowohl der vorangegangenen als auch gegenwärtigen Regierung dienen möge, auch politischen Minderheitsmeinungen Ausdrucksmöglichkeiten zu Lasten des Steuerzahlers einzuräumen.« Eine Toleranz, die im Moment offensichtlich nicht als selbstverständlich erachtet wird. Wohl nicht zufällig fiel im März – trotz Protesten zahlreicher Filmschaffender – die Abteilung IV der Kunstsektion im Bundeskanzleramt, die unter anderem auch regierungskritische Filmprojekte gefördert hatte, »Umstrukturierungen« zum Opfer, und auch der Vertrag der Diagonale-IntendantInnen war nicht wie bislang üblich um 2 Jahre, sondern – da dies laut BKA formal möglich sei – lediglich um ein Jahr verlängert worden.
Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch alle Diagonalen vergangener Jahre zieht, ist die chronische Unterdotierung des österreichischen Films. Es gebe keinerlei »neue Filmpolitik« – so Regisseur Andreas Gruber in einer Diskussion – lediglich die Fortsetzung jener alten Filmpolitik, die eigentlich nicht existiert hätte. Kritik gab es auch daran, dass trotz anders lautender Ankündigungen staatliche Subventionen für den Film gekürzt und auch keine gesetzlichen Maßnahmen umgesetzt wurden, die Anreize für entsprechende Investitionen schaffen würden. Virgil Widrich – vertreten mit dem konzeptuell faszinierenden Kurzfilm »Copy Shop« – beklagte, dass ein neues Subventionsmodell in Hinkunft auch noch Low-Budget- und Dokumentarfilme benachteilige. Trotz allem wurde auch im vergangenen Jahr eine Fülle herzeigbarer Filme produziert, und dies ist das eigentliche Paradoxon des österreichischen Films und seines Festivals.

 

   

 

 

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