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28.04.2006 - Kultur&Medien / Kommentare
Kunstlicht: Produzieren, was das Zeug hält!
ALMUTH SPIEGLER

A
uf der Wiener Kunstmesse traf ich einen Maler. Einen echten. Keinen blutjungen Fotoabpinsler in Designeranzug und mit Puma-Schuhen. Nein, der Maler hatte graues Haar, Lebenswerk, eigenen Stil und diese schicksalhafte Prise aus Eitelkeit und Zynismus im Blick. Einsam schlenderte er durch die Gänge, vorbei an den schicken Kojen, an Kunst, die so anders aussah als die seine - großformatig, bunt, gegenständlich, jedenfalls plakativ und so frisch, dass sie noch nach Farbe roch. So wie die Kunst, die großes Geld verspricht, heute eben aussieht.

Der Maler tat, als würde ihn das alles nicht weiter tangieren. Leicht nur zuckte er mit den Schultern. Und es folgte der Satz, der kommen musste: "Früher war alles besser." In einer ersten Rührung hätte ich ihm fast zugestimmt. Doch ohne Rührung ist es ehrlicher. Die Kunst ist derzeit so zeitgenössisch, so schnell und oberflächlich wie noch nie. Sie ist das "Massenphänomen von heute", konstatiert die "Zeit". Doch um welchen Preis? In materieller Hinsicht war er jedenfalls nie höher. In ästhetischer Hinsicht wohl nie ruinöser.

Denn ist der junge Künstler von den paar Meinungsmachern erst einmal entdeckt und wird er von der "Community" folgsam "gehyped", ist es aus mit der Entwicklung. Dann heißt es produzieren, was das Zeug hält. Meist hält es nicht bis zur zwanzigsten Variation. Dann wird noch stärker auf die emotionale Drüse gedrückt und die Geste noch megalomaner - seien es isländische Eisblöcke mitten in Berlin, eine Videoinstallation, die mittels Lastschiff donauaufwärts geschleppt wird, seien es, wie gerade in Nürnberg, 700 alte Stadion-Sessel, die rund um einen Brunnen getürmt werden. Vor allem muss der Künstler eines sein: unverwechselbar. Damit ihn auch der ahnungsloseste Ami-Sammler nach dem dritten Champagner noch wiedererkennt. Dafür muss die Masche so schnell wie möglich zur Marke werden. Und deswegen sieht heute eine Kunstmesse aus wie die andere. Wobei man den Künstlern ihre Strategie nicht vorwerfen kann: Sie wissen, ihre Zeit ist knapp.

D
er Maler hatte also Recht, als er mitten im Zyklon des Heute so traurig den Kopf schüttelte. Hätte er aber die Augen geöffnet, hätte er gesehen, wo genau er stand. In Wien. Wo Kunstmessen gerade 13.000 Besucher zählen, nicht Hunderttausende wie in Madrid. Wo bei der Vernissage keine Filmstars und Topmodels herumlaufen wie in London. Nicht einmal Nina Proll. Dafür war - weltweit wohl einzigartig und lobenswert - die halbe (schwarze) Bundesregierung da, von Schüssel über Molterer bis Bartenstein. Trendsetter anscheinend. Denn Österreich hat das "neue Massenphänomen Kunst", das sich in Berlin mit 2,2 Millionen Besuchern bei der MoMa-Schau manifestierte, noch nicht erfasst. Und das sollte jetzt nicht einmal ein Trost sein.

almuth.spiegler@diepresse.com

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