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Galerien in Wien: Mit offenen Schuhbändern

08.10.2008 | 18:49 | MANISHA JOTHADY (Die Presse)

Roman Ondák schärft den Blick für den Alltag, Bernhard Frühwirth den fürs Unheimliche.

Tate Modern, Biennale São Paulo, Pinakothek der Moderne München. Das sind nur einige der internationalen Stationen, die Roman Ondák, 1966 in der Slowakei geboren, zuletzt bespielt hat. Oft macht er andere zu Koproduzenten seiner Arbeiten. Für seine aktuelle Ausstellung in der Galerie von Martin Janda bat er etwa Kinder, ihre Heimatstadt im Jahr 3000 zu zeichnen. Ondák gibt gerne Handlungsanweisungen und seien sie so banal, wie mit offenen Schuhbändern durch eine Vernissage zu schlendern. Kleine leise Gesten zeichnen sein Schaffen aus. Wer sie wahrnimmt, hat den geschärften Blick für die alltäglichen Dinge.

Im Video „Insiders“ folgt die Kamera einzelnen Frauen durch Stadtteile von San Francisco. Erst bei eingehender Betrachtung fällt auf, dass sie ihre Kleidung mit den Nähten nach außen tragen. So subtil können individuelle Raummarkierungen aussehen (15.000 €). Am eindrucksvollsten sind jene Arbeiten, in denen Ondák An- und Abwesenheit in eins setzt und das Phänomen Zeit in eine poetische Formel kleidet: Das kann das über mehrere Jahre mit Strichen am Türstock markierte Wachstums seines Sohnes sein oder ein schlichter weißer Kubus, über dessen Wände sich ein schmaler Schlitz auf Körperhöhe des Künstlers zieht (25.000 €).


Verspiegelte „Erdgeschoßsnuffbox“

Geht es in Ondáks Werk vielfach um eine Erweiterung künstlerischer Handlungsspielräume, findet in Bernhard Frühwirths aktuellem Projekt die scheinbare Umkehrung statt. „Erdgeschoßsnuffbox“ nennt er seine Schau bei Mezzanin. Eine eigenwillige Wortschöpfung, die gedanklich in die Untiefen der menschlichen Seele führt. Snuff (engl. jemanden auslöschen) bezeichnet im Film jenes Genre, in dem Morde authentisch nachgestellt werden. Zwanghaftigkeit, Aggression und Beklemmung mag man dementsprechend aus den schwarz-weißen Kopien herauslesen, die den Galerieraum klaustrophobisch einsäumen: dicht, einander überlagernde Linien erinnern an ein undurchdringbares Gehege. Da, wo Durchblicke ins Freie sein könnten, verwehren zwei mächtige Bildtafeln, in denen Frühwirth das Motiv der US-Flagge variiert, ein mögliches Entkommen (14.000 €). Stattdessen stürzen wir in die Tiefe: Frühwirth verdoppelt den Raum durch Spiegelplatten am Boden, kippt ihn optisch um. Das Absonderliche, das Unheimliche zeichnete schon frühere Projekte des Künstlers aus. Die Zeichnung bildete dabei stets einen wesentlichen Angelpunkt seines Schaffens und absorbiert den Besucher dieser Schau komplett.

Ondák, bis 1.11., Galerie Janda, Eschenbachg. 11; Frühwirth, bis 8.11., Galerie Mezzanin, Getreidemarkt 14, beide Wien 1.


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