VN Sa, 12.7.2003

Politik
Lokal
Sport
Markt
Kultur
Welt

Chronik
Leserbriefe
TV
Motor
Gesundheit
Immobilien
Karriere
Reise
Feuilleton
Bücher
Wissen u.Technik
VN-Heimat

Anzeigen
eVN.vol.at






Kultur 

Kuscheln, schmuddeln, leiden

Im Bregenzer Künstlerhaus und im Magazin 4 regiert diesen Sommer die Liebe

VON CHRISTA DIETRICH E-MAIL: christa.dietrich@vn.vol.at

Bregenz (VN) Chapeau! Kaum einmal haben es zwei Unternehmen geschafft, ihre Fusion derart zu feiern. Der Bregenzer Kunstverein und das Magazin 4, die prominentesten Unternehmen in Sachen zeitgenössischer Kunst der Landeshauptstadt, sind von nun an ein Paar: "Love", wie sonst, heißt die erste gemeinsame Sommerausstellung.

Und damit viele Menschen zu den Ausstellungsorten strömen - was ja auch Sinn der Sache ist Ö, prangen in Bregenz Plakate, mit denen genauso für einschlägige Etablissements geworben werden könnte. Annie Sprinkle erforscht seit Jahren die "wunderbaren und weniger schönen" Formen der Sexualität. Die Ergebnisse können Besucher am Diatisch im Magazin 4 begutachten, wobei die vermeintlichen Voyeure auch unter Beobachtung anderer stehen. Etwaige optische Reizungen haben sich damit (da sieht man einmal, wie sehr ein Ausstellungsplakat trügen kann) erledigt.

Nacktheit in letzter

Konsequenz

Nur der Belgier Wilm Delvoye dringt noch tiefer in die Geheimnisse körperlicher Annäherung vor. Allerdings derart konsequent, dass er die Versuchspaare gleich unter den Röntgenschirm legte. Weniger voyeuristisch, dafür umso humoristischer nimmt sich die Installation von Jonathan Horowitz aus. John und Yoko, Charles und Camilla, Goodall und Coco liegen per Schriftzug Kissen an Kissen, und wer sich vergegenwärtigt, dass der homosexuelle Rock Hudson und die asexuelle Doris Day als das Traumpaar Amerikas galten, kommt ihm bald auf die Schliche. Abgerechnet wird auch unter dem Dach des Künstlerhauses bei der Gruppe "Nurr". "Love"

verkommt zum Schriftzug aus Kokain, der vom Individuum solo konsumiert werden kann. Jener Liebesschmerz, von dem sich Mathilde ter Heijne in ihrer Videoarbeit trennt, kann da nicht aufkommen. Allerdings zeigt die französische Künstlerin aber auch, wie Frauen heute Sujets von Filmen (Truffaut) bzw. der Selbstaufopferung entgehen. Auch Sophie Calle rekonstruiert filmisch die Schwierigkeit der Kommunikation zwischen Mann und Frau. Die Reihe der zärtlichen Arbeiten beginnt beim Vorarlberger Gerhard Klocker, der Alltagsgegenstände und Gesten als Symbole der verbindenden Eigenheiten darstellt, während der Schweizer Gernot Wieland die zärtliche Berührung (eingefangen per Animationsfilm) wie ein kostbares Gut in einem schützenden Cubus aufbewahrt.

Sein Landsmann Ugo Rondinone lullt den Besucher mit Sentimentalsound ein. Kein Zufall, dass man daneben mit den Texten von Boris Ondreicka konfrontiert wird, die von der Zeit des Verliebtseins handeln, die nur durch einen radikalen Akt anzuhalten ist.

Wachgeküsst

Die aufwändigste Arbeit dieser vielfältigen Ansammlung von Stellungnahmen ist wohl die von Chris Cunningham. Zwei Roboter verlieben sich, das technoide Bild "verflüssigt" sich zu einem Gefühlsstrom. Pathos bleibt wie überall ausgespart. Etwa auch dort, wo Heike Weber in akribischer Technik die Geschichte von Amor und Psyche nachzeichnet und damit den Geschlechterrollen in der Literatur augenzwinkernd begegnet. Dass Liebe, Geschlechterrollen und politische Probleme etwas viel für eine Videobarbeit sind, wird bei Marcel Odenbach klar, obwohl sich der vielleicht liebestrunkene Besucher hier äußerst wirkungsvoll wachküssen lassen kann.

Ausstellung "Love"

Ausstellungsorte: Künstlerhaus Thurn und Taxis und Magazin 4 in Bregenz

Öffnungszeiten: 13. Juli bis 31. August, Di. bis Fr., 12 bis 19 Uhr, Sa. und So., 10 bis 12 und 14 bis 19 Uhr (Thurn und Taxis), Mi. bis Fr., 16 bis 19 Uhr, Sa. und So., 12 bis 16 Uhr (Magazin 4)

Internet: www.magazin4.at

Eröffnungen: 12. Juli, 11 Uhr (Thurn und Taxis), 20 Uhr (Magazin 4)

Performances: 12. Juli, 20 Uhr, und 13. Juli, 21 Uhr, mit Annie Sprinkle

Kuratoren: Judith Reichart und Wolfgang Fetz

Plakat zu den Bregenzer Sommerausstellungen: Das Spiel mit dem Schmuddellook war offenbar zu verlockend. (Foto: VN/Dietrich)

Wir haben versucht, relevante Positionen in der zeitgenössischen Kunst zum Thema Liebe zusammenzustellen.

WOLFGANG FETZ




Kultur 

Zum Seitenbeginn