VON CHRISTA
DIETRICH E-MAIL: christa.dietrich@vn.vol.at
Bregenz (VN) Chapeau! Kaum einmal haben es zwei Unternehmen
geschafft, ihre Fusion derart zu feiern. Der Bregenzer Kunstverein
und das Magazin 4, die prominentesten Unternehmen in Sachen
zeitgenössischer Kunst der Landeshauptstadt, sind von nun an ein
Paar: "Love", wie sonst, heißt die erste gemeinsame
Sommerausstellung.
Und damit viele Menschen zu den Ausstellungsorten strömen - was
ja auch Sinn der Sache ist Ö, prangen in Bregenz Plakate, mit denen
genauso für einschlägige Etablissements geworben werden könnte.
Annie Sprinkle erforscht seit Jahren die "wunderbaren und weniger
schönen" Formen der Sexualität. Die Ergebnisse können Besucher am
Diatisch im Magazin 4 begutachten, wobei die vermeintlichen Voyeure
auch unter Beobachtung anderer stehen. Etwaige optische Reizungen
haben sich damit (da sieht man einmal, wie sehr ein
Ausstellungsplakat trügen kann) erledigt.
Nacktheit in letzter
Konsequenz
Nur der Belgier Wilm Delvoye dringt noch tiefer in die
Geheimnisse körperlicher Annäherung vor. Allerdings derart
konsequent, dass er die Versuchspaare gleich unter den Röntgenschirm
legte. Weniger voyeuristisch, dafür umso humoristischer nimmt sich
die Installation von Jonathan Horowitz aus. John und Yoko, Charles
und Camilla, Goodall und Coco liegen per Schriftzug Kissen an
Kissen, und wer sich vergegenwärtigt, dass der homosexuelle Rock
Hudson und die asexuelle Doris Day als das Traumpaar Amerikas
galten, kommt ihm bald auf die Schliche. Abgerechnet wird auch unter
dem Dach des Künstlerhauses bei der Gruppe "Nurr". "Love"
verkommt zum Schriftzug aus Kokain, der vom Individuum solo
konsumiert werden kann. Jener Liebesschmerz, von dem sich Mathilde
ter Heijne in ihrer Videoarbeit trennt, kann da nicht aufkommen.
Allerdings zeigt die französische Künstlerin aber auch, wie Frauen
heute Sujets von Filmen (Truffaut) bzw. der Selbstaufopferung
entgehen. Auch Sophie Calle rekonstruiert filmisch die Schwierigkeit
der Kommunikation zwischen Mann und Frau. Die Reihe der zärtlichen
Arbeiten beginnt beim Vorarlberger Gerhard Klocker, der
Alltagsgegenstände und Gesten als Symbole der verbindenden
Eigenheiten darstellt, während der Schweizer Gernot Wieland die
zärtliche Berührung (eingefangen per Animationsfilm) wie ein
kostbares Gut in einem schützenden Cubus aufbewahrt.
Sein Landsmann Ugo Rondinone lullt den Besucher mit
Sentimentalsound ein. Kein Zufall, dass man daneben mit den Texten
von Boris Ondreicka konfrontiert wird, die von der Zeit des
Verliebtseins handeln, die nur durch einen radikalen Akt anzuhalten
ist.
Wachgeküsst
Die aufwändigste Arbeit dieser vielfältigen Ansammlung von
Stellungnahmen ist wohl die von Chris Cunningham. Zwei Roboter
verlieben sich, das technoide Bild "verflüssigt" sich zu einem
Gefühlsstrom. Pathos bleibt wie überall ausgespart. Etwa auch dort,
wo Heike Weber in akribischer Technik die Geschichte von Amor und
Psyche nachzeichnet und damit den Geschlechterrollen in der
Literatur augenzwinkernd begegnet. Dass Liebe, Geschlechterrollen
und politische Probleme etwas viel für eine Videobarbeit sind, wird
bei Marcel Odenbach klar, obwohl sich der vielleicht liebestrunkene
Besucher hier äußerst wirkungsvoll wachküssen lassen kann.
Ausstellungsorte: Künstlerhaus Thurn und Taxis und Magazin 4
in Bregenz
Öffnungszeiten: 13. Juli bis 31. August, Di. bis Fr., 12 bis 19
Uhr, Sa. und So., 10 bis 12 und 14 bis 19 Uhr (Thurn und Taxis), Mi.
bis Fr., 16 bis 19 Uhr, Sa. und So., 12 bis 16 Uhr (Magazin 4)
Internet: www.magazin4.at
Eröffnungen: 12. Juli, 11 Uhr (Thurn und Taxis), 20 Uhr (Magazin
4)
Performances: 12. Juli, 20 Uhr, und 13. Juli, 21 Uhr, mit Annie
Sprinkle
Kuratoren: Judith Reichart und Wolfgang Fetz