Galerien
Der erste Kult-Urmensch
(cai) Na endlich hat einmal einer dem unverzichtbarsten tragenden
Element in der bildenden Kunst ein Denkmal gesetzt. Dem Sockel?
Natürlich nicht. Was ist an dem unverzichtbar? (Dann stellt man die
Skulptur halt auf eine Bierkiste.) Nein, Bruno Peinado hat die erste
wahrhaft kulturelle Tat wiederholt, die jener Urmensch (der
Hominidenart "Kult-Urmensch") vollbracht hat, der erstmals – äh, Feuer
gemacht hat? I wo! Einen Nagel in die Höhlenwand geschlagen hat, um ein
Bild aufzuhängen. Dass der unscheinbare Nagel aus purem Gold, der beim
Mauroner in der Wand steckt, an dieses Ereignis erinnern soll, ist
vielleicht bloß eine romantische Phantasie von mir, trotzdem halte ich
ihn, nein, eh nicht für Peinados Opus magnum, aber für das zentrale
Werk dieser Ausstellung.
Das primitive, geradezu neandertaleske Mit-dem-Hammer-Draufhauen wird dort zum kultivierten Ismus. Zum Vandal ismus.
Eine Kopie der berühmtesten außerirdischen Skulptur hat der Franzose,
der sich aufs kreative Zitieren versteht, brutal erschlagen, und aus
der Delle rinnt eine giftgrüne Soße. Armer Rubikwürfel! (Der ja in
Wahrheit ein Kontinuumtransfunktionator ist.) Wieso der Rubikwürfel ?
Ich hab doch den Monolithen aus "2001" gemeint! Mitreißend, wie Peinado
immer wieder die glatte Perfektion sabotiert, Alutafeln, die wie Autos
glänzen, in Knautschzonen verwandelt. Das frenetische Hämmern ist
womöglich das Lachen des Künstlers. Doch was wollen mir bitte mit Logos
überfrachtete und mit Indianerpfeilen gespickte Traumfänger sagen? Die
sind ja wie ein Kaktus, in den ein übereifriger Akupunkteur auch noch seine Nadeln gesteckt hat. Also: eine Überdosis.
Mario Mauroner Contemporary Art
Weihburggasse 26, 1010 Wien
Bruno Peinado: "Anti clock wise", bis 30. April
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr
Sexyrippennuklearsäure
(cai) Ina Loitzl wendet eben die traditionellen weiblichen Techniken
an, um ihr Publikum zu beeindrucken. Ach, weint sie, während sie sich
gleichzeitig die Wimpern tuscht und rückwärts einparkt? Nein, sie
häkelt, stickt und näht ( ohne dabei rückwärts einzuparken).
Die aufwändigen Handarbeiten sind noch dazu anatomisch halbwegs
korrekt. Aber es sind keine Socken, es sind Organe. In der Kro Art
Gallery sieht’s jedenfalls aus wie in der Speisekammer eines
Kannibalen. Die barocke Ausschweifung ist überwältigend. Gebärmütter
werden zu kecken "Vanitasblüten" (weil sie in den Wechseljahren
verwelken?), Strapse zu Eileitern, Innereien zu innerer Schönheit. Auch
Unisex-Organe (Herz, Lunge) schwanken zwischen Horror und süßer
Romantik. Vom spielerischen Umgang mit der Anatomie profitiert auch der
freche Aufklärungsfilm über die Unaussprechliche. Über die Unterhose?
Nein. Die Sexyrippennuklear- ... ach, die DNS halt.
Kro Art Gallery
Getreidemarkt 15, 1060 Wien
Ina Loitzl: "Schönschaurig", bis 30. April
Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr
Der Schwan ist platt
(cai) Bei Papierfaltkunst denken alle immer gleich an Kraniche und
Schwäne. Außer der Richard Jochum. Der steht mehr auf abstrakten
Expressionismus. Er zerknüllt buntes Papier sehr gründlich oder
zerknittert es mit japanischer Zurückhaltung, streicht alles wieder
glatt und fotografiert’s ab. Kriegt erstaunliche malerische Effekte
hin. Von der dramatisch aufgewühlten Fläche bis zum sentimentalen
Aquarell und zur Naturstudie mit Blume. Ein Origami-Meister kann aus
dem Dürerhasen einen Schwan machen (theoretisch), aber der Jochum macht
am End’ gar aus einem grünen Origami-Schwan das "Große Rasenstück".
Galerie Lindner
Schmalzhofgasse 13/3, 1060 Wien
Richard Jochum: "Paper Series", bis 21. Mai
Di. – Fr.: 14 – 18 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 28. April 2010
Online seit: Dienstag, 27. April 2010 17:40:02
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