Über Urbanität und Untergrund

05. September 2010, 17:07

Die dritte Viennabiennale bespielt bis November verschiedene Räume der Stadt

Wien - "2006 war die Viennabiennale noch Underground", sagt Mario Grubisic über das Debüt des von ihm initiierten Ausstellungsfestivals. Unterirdisch ist heuer nur noch der Veranstaltungsort zum Auftaktevent gelegen: die Künstlerhaus-Passage am Abgang zur U-Bahn. Einst beliebte Clubbing-Location, ist der Ort, der durch die großen Stufen den Charakter eines öffentlichen Forums hat, inzwischen ein wenig in die Jahre gekommen. Das Baugerüst signalisiert anstehende Veränderung, aber einstweilen locken die dunklen Ecken auch recht kunstfernes Publikum an.

Andererseits lässt sich gerade hier, wo der institutionelle auf öffentlichen Raum trifft und reale Probleme städtischer Freiräume zutage treten, gut zum Viennabiennale-Thema Urban Art überleiten. Ein Begriff, der nicht nur infrage gestellt wird, sondern der auch in Bezug auf seine Vereinnahmung als Großstadtphänomen und kommerzielle Verwertung als Street Art verhandelt werden soll.

Billi Thanner hat dort eine komplette Autobushaltestelle inklusive wild tapezierter Plakatwand installiert. Sprüche, Fotos und Zitate verweisen auf die Punkbewegung. Eine Subkultur, die sich ihren Platz im öffentlichen Raum einfach genommen hat: "Nichts befindet sich auf dem richtigen Platz, nicht mal du!", steht in rotzig-aggressiven Sprühlettern an der Wand. An anderer Stelle liest man auf einem kopierten Schnipsel eher adelndes: Punk habe, wie kaum eine andere künstlerische Ausdrucksform, Adornos Anspruch, Kunst müsse Chaos in die Ordnung treiben, erfüllt.

Ein derart gelungenes Spiel mit dem Ort betreibt auch Michael Lukas, der den Titel des apokalyptischen Bob-Dylan-Songs "A Hard Rain's A-Gonna Fall" (1962) als massive, unheilvolle Botschaft plakatiert hat. In der Videogalerie zeigt Natasa Berk, wie sie in einer Unterführung in Bratislava gleich doppelt verboten agierte. Denn es ist ungeschriebenes Gesetz, fremde Graffitis nicht zu übersprühen. Ein echter Street Artist hingegen, der mit Pseudonym auftretende cut and scrape, zeigt seine reizvollen skulpturalen Landschaftsbilder im Ranftlsaal.

In Umfang und Machart lässt sich die Viennabiennale freilich nicht mit renommierten internationalen Biennalen vergleichen. Aber trotz Offspace-Charme vermag die Veranstaltung ihrem Anspruch, Präsentationsplattform und Drehscheibe zu sein, nachzukommen. Bis 1. 11. wird zeitlich gestaffelt an zehn verschiedenen Orten ausgestellt und es werden After-Show-Programme gestaltet.
(Anne Katrin Feßler/ DER STANDARD, Printausgabe, 6.9.2010)

 

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06.09.2010 18:15
altweiber

sommerloch

06.09.2010 18:14
sommerloch

im september?

art must be beautiful
05.09.2010 21:36
.
[3]
.
frage:

ob die berichte über offspaces (im übrigen eines dieser unwörter wie "handy", die niemand im englischsprachigen raum versteht) aus wohlwollen dem guten willen gegenüber entstehen oder ob es der autorin darum geht, sich "einen namen" zu machen?

Anne Katrin Feßler
06.09.2010 19:30
was glauben Sie denn?

so eine Frage kann nur jemand stellen, der mich (und die produktionsbedingungen rund um die einzelnen serienteile) nicht kennt.

06.09.2010 13:15
wie nennt man die entsprechenden räume denn auf

englisch ?

07.09.2010 08:22

artist-run initiatives

art must be beautiful
06.09.2010 17:01
alternative spaces

zum beispiel

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