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19. November 2008
22:04 MEZ
Wenn Künstler fluchen und lieben
Autografen-Auktionen in Wien und Berlin

Berlin/Wien - "Jetzt vergleichen die mich gar mit Makart" , fluchte Oskar Kokoschka in einem Brief an seinen Freund Carl Moll im Sommer 1937, "höher geht die Dummheit vom Schmock wirklich nicht mehr. Und dieses ewige Nierensteingebohre (Anm.: Kunsthändler Otto Kallir-Nierenstein), dass ich Schüler von Schiele, Faistauer, Nolde und Corinth bin."

Dabei, so Kokoschka, waren seine Lehrer "Breughel und der heilige Waldmüller, über den noch nichts geschrieben wurde seit dem liederlichen Büchl von Rössler vor 40 Jahren" . Ja doch, die von außen meist harmlos wirkenden Kataloge der Sparte Autografen hüten bisweilen Explosives und Unterhaltsames. Erwähnter Brief wird beim Berliner Spezialisten Stargardt im Rahmen einer zweitägigen Auktion am 25./26. November versteigert. Der Schätzpreis dieses raren Dokuments beträgt 1600 Euro.

Deutlich höher angesetzt ist eine Nachricht, die Egon Schiele am 28. September 1915 aus der Kaserne an seine Frau Edith ("Liebes Diderle ..." ) übermittelte, um sich anderntags mit ihr zu verabreden. Ob Kasernenarrest oder nicht, im 17. Bezirk unweit einer Schule würde er gegen zwölf Uhr mittags auf sie warten, "...da werde ich beim Haustor sein" , so sein Versprechen. Interessenten könnten für den leicht eingerissenen Faltbrief 4000Euro berappen müs-sen.

Auch in Wien gelangen in den nächsten Wochen Manuskripte und Autografen zur Versteigerung: Im Rahmen seiner Jubiläumsauktion offeriert Hassfurther am 27. November etwa einen eigenhändigen Lebenslauf von Anton Bruckner (10.000-15.000 Euro), datiert 1876. Darin erwähnt der Komponist auch eine Beurteilung Richard Wagners zu seiner dritten Sinfonie: "sehr brav, sehr brav, aufführen, aufführen, das muss aufgeführt werden" , so schätzte der Großmeister jenes ihm gewidmete Werk ein, welches bei seiner Uraufführung ein Jahr später zum größten Misserfolg in Bruckners Karriere werden sollte. Die Erwartungen beziffert Wolfdietrich Hassfurther zwischen 10.000 und 15.000 Euro.

Im Dorotheum steht dann am 4. Dezember eine der beiden jährlich stattfindenden Autografen-auktionen auf dem Programm. Rund 300 Posten hat Experte Andreas Löbbecke in den vergangenen sechs Monaten zusammengetragen: Darunter Reden, Dienst- und Kondolenzschreiben österreichischer Kaiser oder auch Raritäten wie einen der letzten Briefe Friedrich von Schillers. Dieser dürfte jedenfalls für öffentliche Sammlungen in Deutschland von Interesse sein, Kostenpunkt zumindest 20.000 Euro.

Die zwei Rundstempel der Österreichischen Nationalbibliothek sollen dabei nicht irritieren. Bei dem eineinhalb Monate vor seinem Tod an seinen Schwager adressierten eigenhändigen Schreiben handelt es sich um ein 2004 an die Erben nach Max und Olga Berger restituiertes Dokument. (kron / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.11.2008)

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