Wändeweise
Dachpappe mit grafisch anmutender Lochmusterung, fischgrätförmig
angeordnete Parkettleisten, lose angelehnte Türflügel, sorgfältig
zugeschnittene Isoliermaterialien, mit weicher Lederpolsterung umhüllte
Eisenstangen, unterschiedlich bespannte raumgreifende Kreissegmente,
lose aufgetürmte Ziegelsteine, Messingspangen, verbunden zu mächtigen
barockisierenden Ornamenten, Regenrinnenstücke, die Rahmen andeuten. In
derlei Dingwelt gerät man, wenn man in Räume vordringt, in denen Luisa
Kasalicky Hand angelegt hat – sei es in Ausstellungen oder auch in der
ureigensten Umgebung ihres Ateliers im Dachgeschoß eines eleganten
Jugendstilpalais, an dem die Zeit auf sympathische Weise ihre Spuren
hinterlassen hat.
Luisa Kasalicky ist, auch wenn ihre Arbeit
weitaus mehr der Dreidimensionalität als der Zweidimensionalität
verpflichtet scheint, Malerin. Ihre Arbeiten versteht sie selbst als
Bilder im Sinn eines erweiterten Malereibegriffs, der sich zwar über
die Grenzen und Flächen des traditionellen Tafelbildes hinwegsetzt,
sich aber, was Farben, Themen, Strukturen und Komposition betrifft,
sehr wohl klassischer malerischer Ingredienzien bedient. Sie baut und
montiert gleichermaßen Bilder, um mit ihnen in den Raum hinauszugehen
und Räume mit Bildern zu besetzen.
Doppeldeutigkeiten. Gerade
steckt die gebürtige Pragerin, die seit ihrem zehnten Lebensjahr in
Österreich lebt, in den Vorbereitungen für die größte Ausstellung ihrer
jungen Laufbahn. „En Suite“ wird Kasalicky, die an der Akademie der
bildenden Künste in der Malereiklasse von Erwin Bohatsch Assistentin
ist, ihre One-Woman-Show im Bawag Contemporary nennen. Mit Wand- und
Raumarbeiten, aber auch feingliedrigen Gemälden und Zeichnungen soll
der Raum parzelliert werden. „,En Suite‘ heißt einerseits ,in der
Folge‘, ,nacheinander‘, andererseits stecken da auch viele andere
Assoziationen drin, zum Beispiel die Hotelsuite“, sagt sie. „Solche
Doppeldeutigkeiten kommen bei mir oft vor.“ Man kann sich ausmalen, wie
sich die bald im engeren, bald im weiteren Sinn der Architektur und
Raumgestaltung entlehnten Gegenstände in der Ausstellung nicht nur zur
installativen Bilderfolge formieren, sondern der von den
Propeller-Z-Architekten bewusst kühn interpretierten
Fin-de-Siècle-Architektur der Räume einen Schuss Wohnlichkeit verleihen
werden.
Zwischen Ziegelstößen, einem stellenweise mit gelbem
Verputz überzogenen, zackenformigen Ornament und künstlerischen
Versatzstücken wie etwa zwei rosafarbenen Styroportafeln mit
aufgepinntem kunsthistorischen Studienmaterial liegen auf dem Fußboden
unter anderem auch einige zerschnittene Hubertusmäntel. Sie sind
vorgesehen, um auf die Rückseite von vier schmalen, vorn mit
Krakelee-Malerei versehenen Türelementen aufgetackert zu werden, die
Luisa Kasalicky „wie die Flügel eines Altars“ zur monumentalen
Wandinstallation montieren wird. Das rustikale, auch ideologisch
besetzte Assoziationsspektrum des Materials stört sie dabei nicht. „Ich
finde es gerade spannend, wenn es Ästhetiken gibt, die nah beieinander
liegen. Ich behalte mir daher vor, auch mit belasteten Ästhetiken zu
arbeiten. Für diese Arbeit hab ich etwas gesucht, was eine gewisse
Wärme ausstrahlt. Loden erfüllt das. Wie viele andere Materialien, mit
denen ich arbeite, sind diese Mäntel mit Funktionen besetzt, die ich
zwar entfremde, deren Assoziation aber auch noch erhalten sein soll.“
Faible für Funktion. Im
Vorfeld einer Ausstellung begibt sich die Künstlerin meist monatelang
auf Streifzüge durch Baumärkte, Trödler und Handwerksläden. „Da wird
ewig lang gesucht, bis ich alles beisammenhabe“, erzählt sie. Um den
Überblick nicht zu verlieren, führt sie Inventarlisten. „Ich kaufe auch
vieles, was später nicht verwendet wird. Allein damit könnte ich schon
ein eigenes Geschäft aufmachen.“ Neben formal interessanten Dingen
fällt der Blick immer wieder auf Anonymes, aber auch Abgelegtes und
Unzeitgemäßes. „Ich bin nicht gegen den Fortschritt, aber ich habe ein
Faible für funktionelle Details. Es gibt immer wieder Materialmoden,
die auslaufen, sodass die Dinge dann im letzten Winkel stehen. Mich
interessiert es, diese Dinge, wenn sie gut entwickelt waren, für die
heutige Zeit hervorzuholen. Ich suche solche Dinge, die ausbaufähig
sind – ganz intuitiv.“
Ausbaufähigkeit. Detailliebe.
Beobachtung. Intuition. Und dann doch auch wieder unbedingter Intellekt
und eine handfeste Reflexion der Kunstgeschichte vom Mittelalter übers
Barock bis zum Surrealisimus. Damit spielt Luisa Kasalicky auch auf
ihre Methode an. „Es fängt immer mit einer Wahrnehmung an, die mich
psychologisch interessiert. Dabei ist es mir wichtig, Dinge aufzuwerten
und zu bearbeiten, die ,nichts bedeuten‘. Aus ihnen baue ich einen Raum
auf, in dem ich mich wohlfühle, und umgebe mich mit Materialien, die
mich vielleicht an etwas erinnern. Dabei fasziniert es mich, Dinge, die
nicht zusammengehören, zusammenzubringen. Eine große Rolle spielt dabei
diese lange Tradition des Zufalls, bei der die Entscheidung wichtig
ist, wann der Zufall bestimmt wird. Diese Traditionen zu mischen – das
habe ich gern.“