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Luisa Kasalicky: Baumarkt statt Kunstmarkt

03.02.2011 | 17:46 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Die Künstlerin Luisa Kasalicky geht woanders shoppen als ihre Kollegen: Sie baut aus Ziegeln, Parkettleisten und Isoliermaterial Doppeldeutiges.

Wändeweise Dachpappe mit grafisch anmutender Lochmusterung, fischgrätförmig angeordnete Parkettleisten, lose angelehnte Türflügel, sorgfältig zugeschnittene Isoliermaterialien, mit weicher Lederpolsterung umhüllte Eisenstangen, unterschiedlich bespannte raumgreifende Kreissegmente, lose aufgetürmte Ziegelsteine, Messingspangen, verbunden zu mächtigen barockisierenden Ornamenten, Regenrinnenstücke, die Rahmen andeuten. In derlei Dingwelt gerät man, wenn man in Räume vordringt, in denen Luisa Kasalicky Hand angelegt hat – sei es in Ausstellungen oder auch in der ureigensten Umgebung ihres Ateliers im Dachgeschoß eines eleganten Jugendstilpalais, an dem die Zeit auf sympathische Weise ihre Spuren hinterlassen hat.

Luisa Kasalicky ist, auch wenn ihre Arbeit weitaus mehr der Dreidimensionalität als der Zweidimensionalität verpflichtet scheint, Malerin. Ihre Arbeiten versteht sie selbst als Bilder im Sinn eines erweiterten Malereibegriffs, der sich zwar über die Grenzen und Flächen des traditionellen Tafelbildes hinwegsetzt, sich aber, was Farben, Themen, Strukturen und Komposition betrifft, sehr wohl klassischer malerischer Ingredienzien bedient. Sie baut und montiert gleichermaßen Bilder, um mit ihnen in den Raum hinauszugehen und Räume mit Bildern zu besetzen.

Doppeldeutigkeiten. Gerade steckt die gebürtige Pragerin, die seit ihrem zehnten Lebensjahr in Österreich lebt, in den Vorbereitungen für die größte Ausstellung ihrer jungen Laufbahn. „En Suite“ wird Kasalicky, die an der Akademie der bildenden Künste in der Malereiklasse von Erwin Bohatsch Assistentin ist, ihre One-Woman-Show im Bawag Contemporary nennen. Mit Wand- und Raumarbeiten, aber auch feingliedrigen Gemälden und Zeichnungen soll der Raum parzelliert werden. „,En Suite‘ heißt einerseits ,in der Folge‘, ,nacheinander‘, andererseits stecken da auch viele andere Assoziationen drin, zum Beispiel die Hotelsuite“, sagt sie. „Solche Doppeldeutigkeiten kommen bei mir oft vor.“ Man kann sich ausmalen, wie sich die bald im engeren, bald im weiteren Sinn der Architektur und Raumgestaltung entlehnten Gegenstände in der Ausstellung nicht nur zur installativen Bilderfolge formieren, sondern der von den Propeller-Z-Architekten bewusst kühn interpretierten Fin-de-Siècle-Architektur der Räume einen Schuss Wohnlichkeit verleihen werden.

Zwischen Ziegelstößen, einem stellenweise mit gelbem Verputz überzogenen, zackenformigen Ornament und künstlerischen Versatzstücken wie etwa zwei rosafarbenen Styroportafeln mit aufgepinntem kunsthistorischen Studienmaterial liegen auf dem Fußboden unter anderem auch einige zerschnittene Hubertusmäntel. Sie sind vorgesehen, um auf die Rückseite von vier schmalen, vorn mit Krakelee-Malerei versehenen Türelementen aufgetackert zu werden, die Luisa Kasalicky „wie die Flügel eines Altars“ zur monumentalen Wandinstallation montieren wird. Das rustikale, auch ideologisch besetzte Assoziationsspektrum des Materials stört sie dabei nicht. „Ich finde es gerade spannend, wenn es Ästhetiken gibt, die nah beieinander liegen. Ich behalte mir daher vor, auch mit belasteten Ästhetiken zu arbeiten. Für diese Arbeit hab ich etwas gesucht, was eine gewisse Wärme ausstrahlt. Loden erfüllt das. Wie viele andere Materialien, mit denen ich arbeite, sind diese Mäntel mit Funktionen besetzt, die ich zwar entfremde, deren Assoziation aber auch noch erhalten sein soll.“

Faible für Funktion. Im Vorfeld einer Ausstellung begibt sich die Künstlerin meist monatelang auf Streifzüge durch Baumärkte, Trödler und Handwerksläden. „Da wird ewig lang gesucht, bis ich alles beisammenhabe“, erzählt sie. Um den Überblick nicht zu verlieren, führt sie Inventarlisten. „Ich kaufe auch vieles, was später nicht verwendet wird. Allein damit könnte ich schon ein eigenes Geschäft aufmachen.“ Neben formal interessanten Dingen fällt der Blick immer wieder auf Anonymes, aber auch Abgelegtes und Unzeitgemäßes. „Ich bin nicht gegen den Fortschritt, aber ich habe ein Faible für funktionelle Details. Es gibt immer wieder Materialmoden, die auslaufen, sodass die Dinge dann im letzten Winkel stehen. Mich interessiert es, diese Dinge, wenn sie gut entwickelt waren, für die heutige Zeit hervorzuholen. Ich suche solche Dinge, die ausbaufähig sind – ganz intuitiv.“

Ausbaufähigkeit. Detailliebe. Beobachtung. Intuition. Und dann doch auch wieder unbedingter Intellekt und eine handfeste Reflexion der Kunstgeschichte vom Mittelalter übers Barock bis zum Surrealisimus. Damit spielt Luisa Kasalicky auch auf ihre Methode an. „Es fängt immer mit einer Wahrnehmung an, die mich psychologisch interessiert. Dabei ist es mir wichtig, Dinge aufzuwerten und zu bearbeiten, die ,nichts bedeuten‘. Aus ihnen baue ich einen Raum auf, in dem ich mich wohlfühle, und umgebe mich mit Materialien, die mich vielleicht an etwas erinnern. Dabei fasziniert es mich, Dinge, die nicht zusammengehören, zusammenzubringen. Eine große Rolle spielt dabei diese lange Tradition des Zufalls, bei der die Entscheidung wichtig ist, wann der Zufall bestimmt wird. Diese Traditionen zu mischen – das habe ich gern.“


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