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Kunstberichte

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Hulk hat Verstopfung

(cai) John Bock ist garantiert so einer, der seinen Zeigefinger niemals heimlich in ein unbeaufsichtigtes, jungfräuliches Marmeladenglas stecken würde, um der Marmelade seine Männlichkeit zu beweisen. Nein, der röhrt bestimmt wie ein Hirsch und wartet auf das ehrfürchtig erschaudernde Publikum, bevor er sich nach dem erfolgreichen Nasch-Akt auch noch auf die Brust klopft wie ein Gorilla. Nach reiflicher Analyse bin ich nämlich draufgekommen, was das merkwürdige Ding sein soll, mit dem er als "musicien terrible" (schrecklicher Musiker) so ekstatisch herumlärmt: Ein Imponierapparat ist das, ein Potenzinstrument.

Oder nennen wir diese Instrumental-Bestie aus den archaischsten Tiefen des Heimwerkertums, diese fürchterliche Chimäre aus Klavier und Schlagzeug, doch "Potentophon". Während Bock wie ein Hormon-Berserker in die rustikalen Tasten haut (als "Leibeigener im Fugenrausch", ein Sklave seines Testosterons) und während eine primitive Mechanik in einen Topf- und Kübelharem hineinhämmert, brüllt er wie Hulk mit Verstopfung. (Hulk: Das ist der Grüne mit dem monströsen Jähzorn.) Und bestünden noch Zweifel, dass das symbolische Schaubegattungen sind (von "vaginalen" Gefäßen): Bock räumt sie aus, indem er demonstrativ eine deflorierte Niveacreme, in deren Unberührtheit sich also eine Sicherheitsnadel hineinbohrt, auf dem Instrument platziert. Tragikomisch maskulin.

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Wer kaut, isst länger

(cai) Das Wunderkind von Mozart-Sympathisanten sitzt am Klavier auf seinem Topferl (Aufschrift: "Wolfi"). Erwartet man jetzt, dass es das ganze Köchelverzeichnis leerspielt oder sich der Hintern fulminant öffnet? Georg Petzer ist kein bissiger Satiriker, der seine Opfer zerreißt wie der Weiße Hai oder der Manfred Deix. Er hat eher gemütliche Mahlzähne und kaut auf den Schwächen und Eitelkeiten liebevoll herum. Ein kulanter, altruistischer Karikaturist.

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Strauß, unser Retter

(cai) Der Passfotoautomat ist ein notorisch einfallsloser Porträtist. Zum Glück gibt’ s noch die Maler, die sich der Gesichter annehmen. Judith Zillich stürzt sich gottlob nicht auf das Antlitz des Jahres (das vom Wolferl), sondern auf ihr eigenes. Und der Herwig Zens lässt uns immerhin nur den Vater von Johann Strauß Sohn in seinen nervösen Strichen suchen. Und nicht den Leopold Mozart. Danke!

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Die Letzten beißt der Dino

(cai) Ein Saurier kackt auf offener Straße Cent-Münzen. (Der muss einen europäischen Touristen gefressen haben.) Weil Anna Meyer aus Lippenstiften, Cremetiegeln und Plastikkitsch-Nippes visionär banale Modelle einer Mega-City bastelt. Vorbild: Tokio. Perfekte Kulissen für den Kauf- und Wegwerfrausch. Gnadenlos überfrachtet und bemalt.

Galerie Meyer Kainer

(Eschenbachgasse 9)

John Bock

Bis 23. Februar

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Fürchterlich potent.

Galerie Gans

(Kirchberggasse 4)

Intermezzo I – Porträt

Bis 11. März

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 16 Uhr

Heterogen.

Artefakt

(Strauchgasse 2)

Georg Petzer

Bis 17. Februar

Mo. bis Fr. 13 bis 18 Uhr

Galant uncharmant.

Krobath Wimmer

(Eschenbachgasse 9)

Anna Meyer

Bis 25. Februar

Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Manischer Overkill.

Mittwoch, 15. Februar 2006


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