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m Ranking der urbanen Le bensqualität steht Zürich vor Wien.
Vielleicht stehen die Wiener wegen des Überangebots unter schädlichem
Kulturstress. Zürich geht's da noch ein wenig ruhiger an, aber auch hier
hat die Galerienszene in den letzten Jahren einen Aufschwung genommen. Und
das will repräsentiert sein. Seit neun Jahren gibt es die "Kunst Zürich,
Internationale Messe für Gegenwartskunst".
Noch nie gehört? Kein Wunder. Die Kunstmesse Basel mit
ihrem hypnotischen Glamour ignoriert Konkurrenz nicht einmal. So
schlitterte die Zürcher Messe mit ihrem relativ bescheidenen Angebot an
aktueller Kunst und ein wenig klassischer Moderne in den Schatten des
Kunst-Jetsets, manche reden gar von einem Boykott.
Von den etwa 60 Ausstellern in den ehemaligen
ABB-Fabrikshallen stammen die meisten aus der Schweiz, Deutschland,
Italien, je eine Galerie kommt aus Frankreich und Ungarn. Ganze zehn
reisten aus Wien an, nach Berlin heuer "Gaststadt". Mit diesem System will
die Messe mehr internationale Präsenz erwerben.
Um auch eine "gstandene" Wiener Delegation anzulocken,
wurden den Wienern die Mieten für einen 30-Quadratmeter-Stand erlassen.
Weiters bestückten sie die von der Stadt Wien organisierte
Sonderausstellung "Zugluft". In eine größere Koje investierten nur Georg
Kargl und Feichtner & Mizrahi. Hohe kaufmännische Erwartungen hegte
aber keiner der "Gäste". So ostentativ gelassen erlebt man Galeristen
selten während einer Messe-Eröffnung. Entschieden haben sich Knoll, Klaus
Engelhorn, Krobath Wimmer, Charim, Christine König und Meyer Kainer für
einen Überblick ihres Programms, teils mit Schwerpunkt auf
österreichischer Kunst. Den mutigsten Stand riskierte Kunsthalle
8/Kunstbüro: Hier schweben drei Meter große Gucci-Männer aus Plastikfolie
von Klaus Pobitzer. Fotohändler Johannes Faber ließ seine Klassiker zu
Haus und brachte Zeitgenossen wie Robert Zahornicky und Werner Schnelle.
Während in der Messehalle mit einem scheußlichen grauen
Filzboden und weißen Kojen die übliche Handels-Kulisse aufgebaut wurde,
gelang in der Sonderausstellung mit einer Portion Laisser-faire so etwas
wie Flair. Den schlauchartigen Raum, wohl ein ehemaliger Lagerraum sogar
noch mit Kran, beließ man in seinem abgenutzten Zustand - eine angenehme
Nicht-Gestaltung, die sich "Display" nennt und Designerkünstler Marcus
Geiger zu verdanken ist. Brigitte Huck entschied sich bei der
Zusammenstellung für diplomatische Vielfalt: Fast 90 Künstler sind mit
ein, zwei Werken vertreten. Das Konzept ist so simpel wie unwidersprochen:
Der Wohnort, hier eben Wien, prägt die künstlerische Produktion. Lisl
Ponger entzaubert den Meinl-Mohren, Katrina Daschner steckt lesbische
Lolitas in Aida-Uniformen. Mit Plakaten und Videos von Deutschbauer/Spring
wird's sogar regierungskritisch. Ein Video illustriert die
Undergroundstar-Intentionen von Heimo Zobernig bis Peter Weibel, Siggi
Hofer zeichnet bunte Stadtpläne, Günther Brus geht spazieren, Valie Export
führt Peter Weibel immer noch Gassi, und G.R.A.M sorgen dafür, dass diese
Ikonen auch in Zukunft nicht vergessen werden. In einem Verschlag aus
alten Kojenwänden laufen Videos von Marco Lulic, Muntean/Rosenblum und
Hans Schabus schippern durch das Kanalsystem. So etwas wie eine
Wunderkammer österreichischer Kunst wuchert hier, hier lebt das
Stofftier-Monster von Gelatin, und Werner Reiterers Katze pickt, Helium
sei Dank, an der Decke: "Anfänge der Raumfahrt". Im April soll die Wiener
"Zugluft" auch die Moskauer Kunstmesse erreichen.
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