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29.03.2003 - Ausstellung
Monster, Meinl-Mohr und Peter Weibel
Wien ist Gaststadt bei der Kunstmesse Zürich. Eine nette Pflichtübung für zehn Wiener Galeristen. Die Kür ist die Ausstellung "Zugluft".
VON ALMUTH SPIEGLER


I
m Ranking der urbanen Le bensqualität steht Zürich vor Wien. Vielleicht stehen die Wiener wegen des Überangebots unter schädlichem Kulturstress. Zürich geht's da noch ein wenig ruhiger an, aber auch hier hat die Galerienszene in den letzten Jahren einen Aufschwung genommen. Und das will repräsentiert sein. Seit neun Jahren gibt es die "Kunst Zürich, Internationale Messe für Gegenwartskunst".

Noch nie gehört? Kein Wunder. Die Kunstmesse Basel mit ihrem hypnotischen Glamour ignoriert Konkurrenz nicht einmal. So schlitterte die Zürcher Messe mit ihrem relativ bescheidenen Angebot an aktueller Kunst und ein wenig klassischer Moderne in den Schatten des Kunst-Jetsets, manche reden gar von einem Boykott.

Von den etwa 60 Ausstellern in den ehemaligen ABB-Fabrikshallen stammen die meisten aus der Schweiz, Deutschland, Italien, je eine Galerie kommt aus Frankreich und Ungarn. Ganze zehn reisten aus Wien an, nach Berlin heuer "Gaststadt". Mit diesem System will die Messe mehr internationale Präsenz erwerben.

Um auch eine "gstandene" Wiener Delegation anzulocken, wurden den Wienern die Mieten für einen 30-Quadratmeter-Stand erlassen. Weiters bestückten sie die von der Stadt Wien organisierte Sonderausstellung "Zugluft". In eine größere Koje investierten nur Georg Kargl und Feichtner & Mizrahi. Hohe kaufmännische Erwartungen hegte aber keiner der "Gäste". So ostentativ gelassen erlebt man Galeristen selten während einer Messe-Eröffnung. Entschieden haben sich Knoll, Klaus Engelhorn, Krobath Wimmer, Charim, Christine König und Meyer Kainer für einen Überblick ihres Programms, teils mit Schwerpunkt auf österreichischer Kunst. Den mutigsten Stand riskierte Kunsthalle 8/Kunstbüro: Hier schweben drei Meter große Gucci-Männer aus Plastikfolie von Klaus Pobitzer. Fotohändler Johannes Faber ließ seine Klassiker zu Haus und brachte Zeitgenossen wie Robert Zahornicky und Werner Schnelle.

Während in der Messehalle mit einem scheußlichen grauen Filzboden und weißen Kojen die übliche Handels-Kulisse aufgebaut wurde, gelang in der Sonderausstellung mit einer Portion Laisser-faire so etwas wie Flair. Den schlauchartigen Raum, wohl ein ehemaliger Lagerraum sogar noch mit Kran, beließ man in seinem abgenutzten Zustand - eine angenehme Nicht-Gestaltung, die sich "Display" nennt und Designerkünstler Marcus Geiger zu verdanken ist. Brigitte Huck entschied sich bei der Zusammenstellung für diplomatische Vielfalt: Fast 90 Künstler sind mit ein, zwei Werken vertreten. Das Konzept ist so simpel wie unwidersprochen: Der Wohnort, hier eben Wien, prägt die künstlerische Produktion. Lisl Ponger entzaubert den Meinl-Mohren, Katrina Daschner steckt lesbische Lolitas in Aida-Uniformen. Mit Plakaten und Videos von Deutschbauer/Spring wird's sogar regierungskritisch. Ein Video illustriert die Undergroundstar-Intentionen von Heimo Zobernig bis Peter Weibel, Siggi Hofer zeichnet bunte Stadtpläne, Günther Brus geht spazieren, Valie Export führt Peter Weibel immer noch Gassi, und G.R.A.M sorgen dafür, dass diese Ikonen auch in Zukunft nicht vergessen werden. In einem Verschlag aus alten Kojenwänden laufen Videos von Marco Lulic, Muntean/Rosenblum und Hans Schabus schippern durch das Kanalsystem. So etwas wie eine Wunderkammer österreichischer Kunst wuchert hier, hier lebt das Stofftier-Monster von Gelatin, und Werner Reiterers Katze pickt, Helium sei Dank, an der Decke: "Anfänge der Raumfahrt". Im April soll die Wiener "Zugluft" auch die Moskauer Kunstmesse erreichen.



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