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27.03.2003 - Ausstellung
HUBERT WINTER: POSTMINIMAL - FEICHTNER & MIZRAHI: TRACHT - HOHENLOHE & KALB: ARCHAISCH


kunstraum

Richard Nonas machte sich seinen Namen in den frühen Siebzigern als Mitbegründer der Anarchitecture-Group. Mit Gordon Matta-Clark, Laurie Anderson, Trisha Brown und anderen gilt er als wichtiger Initiator der New Yorker Kunstszene. Als ausgebildeter Anthropologe lebte er überdies auch eine Zeitlang bei den Papago-Indianern. Eine tragende Rolle spielt dieses Wissen nun in seiner aktuellen Schau, deren Arbeiten allesamt frisch aus dem Atelier kommen. Hauptarbeit sind fünf Boden-Skulpturen. Wie die reduktiven Masken-Skulpturen an den Wänden sind sie aus Bauholz aus dem 18. Jahrhundert. "Fallen" nennt Nonas sie, und ergänzt sie quer durch den Raum mit starken, in Rot und Schwarz gehaltenen Kreide-Diptychen, die an Schamanen, Idole oder einfach an wolfartige Wesen erinnern. Intimer Höhepunkt der Schau ist eine Gruppe aus winzigen Wachsfiguren auf doppelten Podesten. Damit kommt erstens die alte Sockelproblematik wieder aufs Tapet. Vor allem aber wird die Rolle des Kunstwerks als ultimativer Fetisch überzeugend bestätigt (VII., Breite Gasse 17; bis 3. Mai).

FEICHTNER & MIZRAHI: TRACHT

Pointer und Wachtel, Kojote und Schaf, Labrador mit Stockente. Ungewohnte Paarungen, die die junge Deborah Sengl da auf die Leinwand bannt. Alle stecken in Trachten, sei es in ländlichen wie dem Steirer, ethnischen wie der Leinen-Tunika oder urbanen wie dem Sweatshirt. Das Schaf verwandelt sich gar zum Wolf. Dolly, geklonte, sei selig! Dass sich die Köpfe als Maske erweisen beziehungsweise die Kleider als Kostüm, treibt das Verwirrspiel nur voran. Maske, Kostüm, Verwandlung werden zur Bedrohung, decouvrieren eine verharmloste Täter-Opferbeziehung. In Zeichnungen und Collagen, teils aus Pornoschnipseln, dreht Sengl die Schraube weiter und visualisiert Redensarten: wilde Hummel, alter Hase. Geile Stute, toller Hecht. Tief schürfendes Sampling, sehr witzig, aber das Lachen bleibt im Hals stecken. (I., Seilerstätte 19; bis 26. April)

HOHENLOHE & KALB: ARCHAISCH

Nausikaa. Kirchenkalk. Zwei nackte Wörter umreißen das Spannungsfeld, aus dem Martha Jungwirths neueste Büttenpapier-Aquarelle entstanden sind. Kirchenkalk: ein karges Weiß als Grundierung, um Wasserfarbe und Papier voneinander abzusperren und so auf ihre eigene Materialität zu reduzieren. Und Nausikaa: Königstochter, eine der Vielen, denen Odysseus begegnete. Nicht, dass die Story von der griechischen Jungfrau für das Verständnis ausschlaggebend wäre. Doch verleiht sie den Arbeiten, die sich dem flüchtigen, Abstraktion orten wollenden Blick widersetzen, eine Ausrichtung: Nausikaa verschafft Zugang zu einem archaisch-mythischen Raum, der die Qualität dieser Arbeiten ausmacht. Nur eins sei dem Interessenten mitgegeben: Gehen Sie in die Knie! Betrachten Sie die Bilder von unten! Sie hängen viel zu tief über dem Boden. Ein plumper Gag, auf den die Galerie besser verzichtet hätte. (I., Bäckerstraße 3; bis 25. April) Johanna Hofleitner



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