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12.12.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Belvedere: Von Reichtümern aller Art
René Clemencic-Festspiele: Der Komponist und Dirigent kehrt im Belvedere seine weniger bekannte Seite als Sammler von Skulpturen hervor. Parallel dazu zeigt die Österreichische Galerie in der Sala Terrena Bildteppiche von Fritz Riedl.

Ich bin Komponist, Zusammensteller von bereits in der Welt und in mir Vorhandenem“, beschreibt René Clemencic sein eigenes Tun und Wirken. Dass dieses Zusammenstellen bei einem Universalisten wie ihm (neben Blockflöte, Cembalo und Komposition studierte Clemencic auch Mathematik, Völkerkunde, Sprachen und Philosophie) aber nicht nur auf die Musik beschränkt bleiben konnte, sondern im konkreten Fall auch noch eine weitere, sinnliche Komponente birgt, beweist die Präsentation seiner außergewöhnlichen Sammlung von Skulpturen aus dem 6. bis 20. Jahrhundert im Oberen Belvedere.

Die Leidenschaft dafür geht zurück auf einen Atelierbesuch bei Fritz Wotruba in den 50er- Jahren: „Das gerade im Entstehen begriffene Werden einer Skulptur, ihr Herauswachsen aus dem Stein hat mich tief beeindruckt“, erinnert sich Clemencic. Es entstand der Wunsch, Skulpturen zu sammeln, um mit ihnen leben zu können und sich fortwährend mit ihnen zu umgeben. Dabei beschränkt er sich nicht auf den engen Rahmen einer bestimmten Kultur oder Epoche, sondern sammelte vielmehr thematisch, nach „Existenzbereichen“ wie Ursprung, Pflanzen und Tiere, Mensch, Schicksal, Tod und Ahnen, Verklärung/Jenseits.

Eine spezielle Herausforderung der Skulptur im Unterschied etwa zur Malerei oder Zeichnung (die sich, wie er sagt, „Raum sparend an die Wand verbannen lassen“) stellt für Clemencic die unbewegliche Schönheit und Stille des Mediums dar: „Sie muss von uns liebevoll zum Leben erweckt, wie ein Dornrös­chen aus scheinbarer Totenstarre erlöst werden. … Ständig entdecke ich neue Blickwinkel, neue archimedische Punkte der Betrachtung. Dazu kommt die Variabilität des Licht­einfalls, der Lichtqualität, die sich je nach Tageszeit, Jahreszeit, Wetter beständig verändert.“ In diesem Sinn schließt sich auch der Kreis zur Musik. Vielleicht lassen sich die zahlreichen Facetten seines Wirkens so auf einen Nenner bringen: René Clemencic sammelt – und zwar geistige Reichtümer aller Art. Und wie in der Musik achtet er auch in den anderen Bereichen ganz besonders darauf, nicht dem Professoralen anheim zu fallen.

Übrigens, ganz besonders hingewiesen sei diesmal auf das Rahmenprogramm zur Ausstellung. Da tritt der Sammler sowohl als Interpret von alter und neuer Musik wie auch als Rezitator von Literatur in Erscheinung, wobei sich der Bogen von alten persischen Epen bis zum „Phantasus“ des Arno Holz spannt.

Gefärbte Wolle. Parallel präsentiert die Österreichische Galerie einen wichtigen Vertreter der österreichischen Nachkriegskunst: Fritz Riedl, heuer 80 Jahre alt gewordener Textilkünstler, der der Weberei seit den späten 50er- Jahren seinen Stempel aufdrückt. Der legendäre „Art Club“, der „Strohkoffer“ sowie der Umkreis seines Lehrers Albert Paris Gütersloh waren die Orte, an denen er seine Sozialisierung als Maler und Künstler erfuhr. Gütersloh war es auch, der ihn zum „Malen mit gefärbter Wolle“ ermuntern sollte.

Wichtige Impulse holte sich Riedl daraufhin in Frankreich, wo die Textilkunst seit jeher einen viel höheren Stellenwert besaß als hier zu Lande. Während seine frühen Arbeiten noch ganz im Zeichen der Geometrie standen, schwenkte er Mitte der Fünfziger radikal um auf eine an Vegetationsformen orientierte Mal- und Web-Weise – ein Stil, dem er er bis heute treu geblieben ist. Unter dem Eindruck des abstrakten Expressionismus à la Jackson
Pollock und Georges Mathieu erfasste diese Tendenz ziemlich zeitgleich die gesamte junge Wiener Künstlerszene, prominente Beispiele dafür sind Arnulf Rainer und Markus Prachensky.

Da hatte Riedl übrigens seine erste Biennale-Teilnahme schon hinter sich – Josef Hoffmann hatte ihn 1954 nach Venedig eingeladen, 1959 nahm er dann an der Kassler documenta teil, 1963 an der Sao-Paulo-Biennale. Dann zog es ihn nach Übersee, in Mexiko blieb er hängen und gründete in Guadalajara zusammen mit dem österreichischen Architekten Erich Coufal eine Gobelin-Werkstätte, die rasch internationalen Ruf erlangte. Unter anderem realisierten die „Gobelinas Mexicanos“ Entwürfe amerikanischer Maler, später auch von Friedensreich Hundertwasser. 1976 folgte Riedl einem Ruf nach Linz an die Kunsthochschule. Sofort nach der Emeritierung 1991 kehrte er nach Mexiko zurück – das Land war längst zur zweiten Heimat geworden. Einzig die Wohnung in Linz hatte er behalten. Auf Grund regelmäßiger Ausstellungen in Österreich zählt Fritz Riedl bis heute vermutlich zu den kontinuierlichsten Pendlern zwischen den Kontinenten.

Buchtipp: Oft führt der Weg zur Kunst über ein Buch. Eine wunderbare Werbung für die Sache der Kunst und überdies ein schönes Weihnachtsgeschenk ist der soeben erschienene Prachtband, den die Österreichische Galerie Belvedere zum Abschluss ihres 100-Jahr-Jubiläums vorlegt. Aufwendig gestaltet, illustriert er nicht nur die Kostbarkeiten des Museums. Mit 250 Meisterwerken auf ganzseitigen Farbtafeln und einführenden Texten der Kuratoren gibt er überdies einen hervorragenden Überblick über die Bestände der verschiedenen Sammlungen. Dokumentiert werden weiters auch das historische Bauwerk und die wechselvolle Geschichte seiner Nutzung. Neben der deutschen Ausgabe gibt es auch eine englische und eine italienische Version. Edel!

„Meisterwerke der Österreichischen Galerie Belvedere Wien“
Herausgegeben von Gerbert Frodl und Verena Traeger.
29 x 24 cm, 304 Seiten, Leinen gebunden.
Verlag Mazotta: E 34,-

Österreichische Galerie Belvedere: „Die Sammlung René Clemencic. Wandlungen: Ereignis Skulptur“, bis 29. 2. 04; „Fritz Riedl. Bildteppiche“, bis 22. 2. 04; http://www.belvedere.at/. Infos, Führungen, Kunstvermittlung: Tel: 01/795 57-134

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