Salzburger Nachrichten am 25. Juni 2005 - Bereich: kultur
Die Macht medialer Bilder

Die heftig diskutierte RAF-Ausstellung ist nun in Graz zu sehen. Am Sonntag wird sie in der Neuen Galerie eröffnet: Spiegelung der RAF in Medien und Kunst.

Martin BehrGraz (SN). Ein "Flucht- und Befreiungsfahrzeug" quasi als Entrée: Im Hof der Neuen Galerie parkt der von Franz Ackermann nachgebaute "Helicopter No. 21", ein skurriles, scheinbar einer Kindheitsfantasie entsprungenes Gefährt. Wäre es nach den Plänen von RAF-Sympathisanten gegangen, wären die in Stammheim inhaftierten Terroristen weiland mit diesem von Größenwahn geplagten VW in die Freiheit entflohen.

Das weiße Flügel-Auto führt in eine Ausstellung, die Anfang dieses Jahres in Deutschland für Aufsehen gesorgt hat: "Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF-Ausstellung." Die von Ellen Blumenstein, Klaus Biesenbach und Felix Ensslin für Berlin kuratierte Schau setzt sich mit der Macht der (medial vermittelten) Bilder auseinander, verknüpft ein reichhaltiges Quellenmaterial mit künstlerischen Positionen.

Finanzierungsstreit, Kulturkämpfe, medialer Overkill: Von der Heftigkeit der Rezeption in Deutschland ist im Wahlkampfland Steiermark kaum etwas zu spüren. Von der Kulturpolitik missachtet, scheint die von Peter Weibel nach Graz geholte RAF-Ausstellung auch nicht das Lieblingsprojekt des Landesmuseums Joanneum zu sein. Die harmlose Kulturtourismusschau "Blicke auf Carmen" wird weit mehr beworben. Selbst die Gegner schwächeln: Nur die Grazer FP wirft LH Waltraud Klasnic (ÖVP) einen "missglückten Hofknicks vor dem linksextremen Terror" vor.

Den Besuchern der Neuen Galerie empfiehlt sich ein Einstieg über eine mediale "Zeitleiste", welche Geschehnisse zwischen der Erschießung von Benno Ohnesorg (1967) und der im April 1998 verkündeten RAF-Auflösung dokumentiert. "Die Andreas Baader-Story - Wie aus einem Angeber der Staatsfeind Nr. 1 wurde", titelte der "Stern" etwa im Juni 1972.

Oft geht die Kunst von Found-Footage-Material aus: Thomas Ruff vergrößert, verfremdet, anonymisiert Zeitungsfotos, Marcel Odenbach verweist auf die Allmacht der Bilderwelt mit einem Mix aus Überwachungskamera-Reklamen, RAF-Terrorsequenzen und einem Foto, das stolpernde Pressefotografen zeigt.

Eine der Lieblingsarbeiten von Blumenstein und Ensslin heißt "Digging Deep", ein Video von André Korpys/Markus Löffler. Quasi im Schatten der Justizvollzugsanstalt Stammheim errichten die Künstler in einem Schrebergarten eine improvisierte Hütte. Zudem werden die Stammheim-Anrainer über ihre Erinnerungen befragt: Oral History kontra stereotype Medienbilder, extreme Subjektivität statt Mythenbildung.

Nicht selten hinkt die Kunst in ihrer Wirkung dem medialen Zeugnis nach. Die Beuys-Installation wirkt entzaubert, Jörg Immendorffs "Parlament I" überfrachtet, Dara Birnbaums Videoinstallation platt und fast peinlich. Aus dem Angebot der Reflexionen über Gewalt, Verklärung, Utopie ragen die Martin-Kippenberger-Collage "Echt", die Flugzeugentführungs-Videodoku "Dial History" von Johan Grimonprez sowie der Bilderzyklus "Die Toten" von Hans-Peter Feldmann heraus.

Der Künstler präsentiert auf 90 Schwarzweißkopien die Bilder, Namen und Sterbedaten von Menschen, die zwischen 1967 bis 1993 bei Studentenprotesten und durch Terrorakte ums Leben gekommen sind. Opfer, Täter, Unbeteiligte, allesamt vereint. Schlichtheit ist kein Hindernis für Eindringlichkeit. Neue Galerie Graz, bis 28. 8.