Exkremente der Kunst

Von Roland Schöny


Wim Delvoye ist einer jener Künstler, die sich mit bewusstem understatement präsentieren. Seine Turnschuhe sind ausgesucht, aber unauffällig. Seine Hemden sind modisch und erinnern ein wenig an die 70er Jahre. Bei Ausstellungseröffnungen trinkt Delvoye nicht Wein, sondern hält mitunter die Dose eines Energydrinks in der Hand. Der Künstler inszeniert sich als Anti-Alkoholiker und Vegetarier.

Fleischliche Kunst

Solche gewöhnlichen Details fallen aber deshalb auf, weil sich Delvoye in seiner Arbeit mit Körpervorgängen beschäftigt. Genauer gesagt mit Fleisch und dem Fleischlichen. In der Galerie Krinzinger etwa sind eine Reihe von Fotos zu sehen, die wirken, als seien sie aus Marmor. Tatsächlich aber bestehen die Formen aus präzise geschnittenen Wurstblättern.

Es scheint, als würde der Vegetarier Delvoye ausgerechnet mit jenem Material arbeiten, das ihm am meisten fremd ist, zu dem er dezidiert Distanz pflegt. Überhaupt sei Abstand, wie er sagt, eines seiner wichtigsten Prinzipien. Er erklärt, er würde keine Emotionen in seine Arbeit legen, sondern plane sie am Schreibtisch seines Büros.

Sein Blick sei kartesianisch, analytisch, sagt Wim Delvoye, und das unterscheide ihn von der Wiener Tradition, sich mit dem Körper zu beschäftigen, wie er mit Anspielung auf die Tradition des Aktionismus erklärt.

Spiel mit der Vergänglichkeit

Aufgrund dieser neuen Form der Auseinandersetzung mit dem Fleischlichen wurde er zu einem Teilnehmer der dokumenta IX im Jahr 1992. Da Wim Delvoyes Ornamente aus Wurst in der Fotografie extrem ästhetisiert werden, würde man kaum annehmen, dass es ihm in seiner Arbeit auch um die Spiegelung des Kreislaufs aus Werden und Vergehen geht. Die Haltbarkeit dieser fleischlichen Intarsienarbeiten ist naturgemäß extrem gering.

Die Fotografie sei der einzige Weg, die Arbeiten zu konservieren. Ein solcher Widerspruch zwischen Dauer und Vergänglichkeit kommt auch in dem bekannten Zyklus "pig" zum Ausdruck.

Tätowierte Schweine

Devoye ließ eine Reihe von Schweinen mit ähnlichen Zeichen tätowieren, die sich mitunter auch auf Männerarmen finden lassen: Liebesherzen, Harley-Davidson-Logos oder Meerjungfrauen. Auf Schweinen sieht das komisch und traurig zugleich aus, letztlich sinnlos.

Da Wim Delvoye auf Symbole aus der Alltagswelt zurückgreift, ergeben sich auch Anknüpfungspunkte zum Alltagsleben. Seine Schweine-Tätowierungen sind entweder auf Fotografien zu sehen, oder als Spuren auf Schweinsleder, das in gerahmter Form in Ausstellungen inszeniert ist wie Tierfetische in einem Jagdzimmer. Dabei legt Delvoye Wert darauf, dass seine Arbeit aus einer kulturhistorischen Analyse komme, wenn er sagt, er würde wie ein Architekt vorgehen. Bei ihm komme nichts aus dem Bauch.

Die Exkrementen-Maschine

Wie ein Architekt, eigentlich wie ein Ingenieur, geht Delvoye auch in seinem neuesten Großprojekt vor, das im kommenden Herbst in Antwerpen präsentiert werden soll. Gemeinsam mit einem Team von Biologen arbeitet er an einer Maschine, mit der es gelingen soll, aus Lebensmitteln eine Substanz herzustellen, die jener menschlicher Exkremente entspricht - ohne jede Körperlichkeit.

In aller Welt bemühe man sich, sämtliche Körpervorgänge durch Maschinen zu ersetzen, warum dann nicht diesen, fragt sich Wim Delvoye. Schockierend oder überraschend wird das sein, wenn selbst einer der intimsten Vorgänge maschinisierbar sein wird.

Sollte dieses jetzt schon Aufsehen erregende Maschinenprojekt tatsächlich gelingen, könnten sich Fragen nach dem Körperlichen in der Kunst und den damit verbundenen Tabus vielleicht aus einer ganz anderen Perspektive stellen, als das seinerzeit die Aktionisten getan haben.

Links:

Galerie Krinzinger
Künstlerhaus Wien
Zeitwenden
Zeitwenden im WDR

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