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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
08. Juni 2005
18:39 MESZ
Von Rainer Zendron, Vize-Rektor der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz.  
Wichtig ist, was die Massen sehen werden
Entbehrliche Zurufe aus dem Off: Zur anhaltenden Kritik am Linzer Kunstmuseum Lentos - ein Kommentar der anderen

Jahrelang haben Bürgermeister und Stadt Linz zugeschaut, wie ihre "Neue Galerie" künstlerisch heruntergewirtschaftet wurde, ohne dass sie nach einem Zugpferd riefen. In den 80er-Jahren zählte diese Einrichtung noch zu den führenden Präsentationsorten von Kunst in Österreich. Zug um Zug wurde in der Folge diese Reputation verspielt.

Doch die Kulturpolitik war zufrieden, solange "ihr Haus" ausreichend Besucherzahlen vorwies. Dies gelang durch periodische Vorführungen großer Namen, die leider meist nur provinzielle Aufgüsse derer Werke waren - dem lokalen Publikum jedoch wurde der Schein internationaler Bedeutung vorgaukelt. Die Konfrontation mit gegenwärtiger Kunstproduktion wurde ebenso vernachlässigt wie eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Vor einem Jahr wurde - spät, aber doch - die Reißleine gezogen. Eine Neupositionierung des Kunstmuseums Lentos wurde in der Ausschreibung verlangt und mit der Besetzung der künstlerischen Leiterin Stella Rollig und dem kaufmännischen Leiter Gernot Barounig auch in die Wege geleitet. Es ist ausschließlich der Politik anzulasten, dass für diesen strategischen Wechsel der attraktive Zeitpunkt der Eröffnung verpasst wurde und das neue Lentos sich ein weiteres Jahr mit tradiertem Programm dahinschleppte und so das große, überregionale Interesse fürs neue Museum verpufften.

Dass jetzt Bürgermeister Dobusch erkennt, dass dies ein Fehler war, ist positiv, doch kann man diesen "suboptimalen Neustart" jetzt jedenfalls nicht Frau Rollig und Herrn Barounig anlasten. Zurufe aus dem Off sind für den Aufbau und neue Positionierung des Museums nicht gerade hilfreich. Sehr befremdlich ist es jedenfalls, wenn die Forderungen nach mehr BesucherInnen mit der nach anderer Programmierung und kaum versteckten Drohungen zu einer unqualifizierten Melange verrührt werden.

Zentrale Aufgabe des Leitungsteams ist es, das Lentos bis zur Kulturhauptstadt 2009 international gut zu positionieren. Frau Rollig ist dafür verantwortlich, dass die künstlerische Reputation des Museums wieder aufgebaut wird. Herrn Barounig fällt die nicht minder schwierige Aufgabe zu, durch gutes Marketing möglichst viele InteressentInnen für das Programm zu begeistern.

Natürlich ist es immer nett für die Politiker, wenn "die Massen ins Lentos strömen" - doch mittelfristig ist es von größerer Bedeutung, was diese Massen dort sehen, denn ein Museum ist keine Maschine zur Profitmaximierung, sondern Bildungseinrichtung und Ort der Auseinandersetzung. Für diese Aufgaben wurden bereits im letzten Jahr Wesentliches geleistet. Wenn das Lentos diesen Weg weiterverfolgt, werden bis 2009 die Besucher auch bereit sein, ihn mitzugehen.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.6.2005)


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