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02.06.2006 - Kultur&Medien / Kommentare
Kunstlicht: Aufs Mittelmaß ist stets Verlass
ALMUTH SPIEGLER

K
omm, rat mit: Jung, erfolgreich, kunstaffin - was würde sich dieser Traumtyp zum Geburtstag schenken? Ist er neureich, wird's wohl ein Warhol-Dollarzeichen. Hat er dabei noch Humor, ein Jeff Koons. Wertekonservativ? Picassos "Dora Maar au chat", um 95,2 Mill. $ gerade zweitteuerstes Bild ever. Schnäppchenjäger? Andreas Gurskys Foto "Venue of the Americas" aus der eben versteigerten Refco-Kunstsammlung. Österreicher? Ein "Totentanz" von Egger-Lienz aus 1921, um 912.000 €.

So einer fand sich diese Woche im Dorotheum. Und was sagt uns dieser Überraschungscoup in Zeiten, in denen selbst abgebrühte New Yorker Auktionatoren feuchte Augen bekommen, wenn sie von Zeitgenossen-Sessions berichten, wo die Jeunesse Dorée sich um das grellste Grinsen chinesischer Neo-Zynisten oder den existenzialistischsten Leerraum der Leipziger Malermeisterchen prügelt?

Wien bleibt Wien. Tirol bleibt Tirol. Und vor allem: Österreich bleibt Österreich. Der zurzeit so proklamierte Trend zur neuen Bürgerlichkeit fällt bei uns nicht einmal der letzten Modeassistentin auf, so alltäglich ist er. Da sind wir wirklich einmal ganz vorne dabei. Und Robert Meyer ist Volksoperndirektor, juche!

Zeitgenössische Kunst? Interessiert in Österreich, sorry, nicht einmal die Sau des Zigeunerbarons. Außer sie ist bunt, abstrakt und passt zur Couch. Sonst wiegt man sich in Sicherheit: Schiele, Klimt, Walde, Egger-Lienz.

Aber Heimo Zobernig, Markus Schinwald, Werner Reiterer, Walter Pichler, um nur einige international erfolgreiche österreichische Zeitgenossen zu nennen? Nie gehört, oder?

W
ährend wir also der mittelal ten österreichischen Mittel klasse zu Rekordpreisen verhelfen, kümmert sich wenigstens das ach so böse Ausland um unsere Lebenden, fast möchte man hämisch "Achtung, Ausverkauf!" kreischen. Das Centre Pompidou in Paris hat gerade einen Werkblock Walter Pichlers erworben. Und eines der vielen neuen spanischen Museen das Lachgas-Feuerwehrauto Werner Reiterers, das vor der Linzer Landesgalerie stand.

Beim gepflegten Desinteresse in Österreich aber - da können Galeristen sich abstrampeln, wie sie wollen - braucht man sich um traditionell steinige Künstlerkarrieren keine Sorgen zu machen. Selbst wenn gerade wieder ein konservativer Zug in der Kunst festzustellen ist. Nicht nur im dafür so gefeierten Leipzig, sondern auch auf unseren Kunstuniversitäten. Aber für uns neu-bürgerliche Trendsetter ist das wohl immer noch zu wenig spießig.

almuth.spiegler@diepresse.com

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