Kunsthaus Wien: Bettina-Rheims-Retrospektive
Verstörend und verschwenderisch
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer Bis 24. April ist eine
Retrospektive der Fotokünstlerin Bettina Rheims im Wiener Kunsthaus zu
sehen, bevor sie nach Düsseldorf, Brüssel, Rotterdam und Moskau
weiterwandert.
Die Künstlerin selbst kommt aus der Glamour-Werbewelt und
präsentiert sich zwischen Schauspiel und Modewelt, meist in Schwarzweiß
als eine Mischung aus Rampling, Pfeiffer und Moss. In dieser Szene sind
die meisten ihrer Fotografien auf den ersten Blick beheimatet - erst beim
genaueren Hinsehen kommt die Pornofilmszene oder die der Transsexuellen
zum Vorschein. Bekannt wurde die Künstlerin mit einem pseudoreligiösen
Farbfoto: eine nackte Frau mit Lendenschurz hängt Christus gleich am
Kreuz. Das Foto war Teil eines Zyklus, den sie als Jüdin allerdings nicht
als Abrechnung mit der katholischen Welt sieht. Ihre Auseinandersetzung
mit bleibender Ikonografie: mit Blicken, Gesten und Gebärden, mit Sprache
und Machtstrukturen, die auch in die Sexualität einwandern, ist
allgemeiner. Und sie ist unangenehm, da die Grenzen aufbrechen zwischen
den Geschlechtern, da die Szenewelt als eine fotografierte Hölle, nicht
weit entfernt von jenen Fantasien eines Bosch oder Brueghel erscheint.
"Die verkehrte Welt" des Barock ist nun eine brüchige geworden, eine, in
der Versprechen nicht eingehalten werden. Hausfrauen werfen sich vor
Rheims in erotische Posen, Models halten hochhackige Schuhe als Waffen in
Kopfhöhe, Pornostars und Stripperinnen wirken erschöpft, die Schminke
rinnt, der Schweiß lässt die Kleider ankleben, die Posen sind verrenkt und
starr, das Glatte, Professionelle der großformatigen Abzüge macht die
Entfremdung noch größer. Die Rheims also eine Sozialreporterin, eine
Inszeniererin alltäglicher Schonungslosigkeit? Manchmal kommt auch das
Gefühl durch, dass die Künstlerin bei allem Willen, die Selbsttäuschungen
in einer Welt des Narzissmus anzuprangern, auch in neue Klischeefallen
tappt, gepaart mit einem starken Willen bekannt zu werden. Das ist
allerdings legitim und zeitgemäß. Doch die Rheims widmet sich fast
ausschließlich Frauen, das kann eine sexuelle Vorliebe sein oder eine
Selbstbespiegelung. Wichtig ist auch die postfeministische Abrechung, der
nötige neue Blick als Korrektiv eines wieder erwachenden Chauvinismus nach
der viel posaunten "political correctness". Jean Christophe Amman schreibt
im Katalog über Erotik als Mysterium, als Verschwendung im Überlebenstrieb
und er vergleicht die Beobachtungsgabe der Rheims mit der von Anais Nin,
ein Nebeneinander von Schmerz und Lust, von Gegensätzen, die Unangenehmes
verbreiten, aber notwendige Fragen stellen in dieser neuen Welt flexibler
Geschlechter und ihren nicht mehr funktionierenden Rollenbildern. Eine
Schwarzweiß-Serie hat die Künstlerin auch Tieren gewidmet. Die Tiere sind
ausgestopft, der Tod ist dabei. Mit künstlerischer und kommerzieller
Perfektion wird hier mit dem Modewort Differenz (wörtlich genommen) nach
neuen Orientierungen gesucht - dies bleibt offenbar als bitterer
Nachgeschmack bei Magersüchtigen, Peitscherinnen, oder sich in Rauch
auflösenden Promis wie Marilyn Manson. Madonna im Bett und trotzdem nichts
Reizvolles, die Perversion erzeugende gefährliche und giftige Wirkung der
Pose ist Teil des künstlerischen Konzepts.
Erschienen am: 30.03.2005 |
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