DiePresse.com

DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Cornelius Kolig: "Einfach nur eine schöne Form"

09.05.2009 | 18:03 | von RAINER NOWAK (Die Presse)

Objektkünstler Cornelius Kolig wurde wegen seiner Werke von Politikern und Kleinformaten angegriffen. Dabei spielt er nur mit Körpern und ihren Teilen – sowie deren Namen, Tönen und Säften.

Wieder ein Überschwemmungsgebiet. Vor zwei Jahren hat Cornelius Kolig Hunderte seiner Arbeiten bei einem Hochwasser verloren. Nun stellt er gerettete Werke im Essl Museum aus, das im potenziellen Donau-Überschwemmungsgebiet errichtet wurde.

„Ist das wirklich eines?“, fragt Kolig und schaut ungläubig aus den riesigen Fenstern des Museums in Richtung Au. Er seufzt und erzählt, dass der Winter mit seinen Schneemassen wieder ein paar Stücke gekostet habe, ein Dach in seinem „Paradies“ habe nachgegeben. Er sagt das in etwa, als würde ein alter, gelassener Kärntner Landwirt vom vergangenen Ernteausfall erzählen.

Sein Paradies steht in Vorderberg im Kärntner Gailtal, 20 Jahre lang hat Kolig an der Errichtung seines persönlichen Kunst-Landgutes gearbeitet. Natürliche Rückschläge und lokaler politischer Widerstand haben sein museales Zuhause für ihn nur noch wichtiger werden lassen, der einstige landwirtschaftliche Betrieb wurde Haus für Haus zum künstlerischen Anwesen. Da gibt es einen Rauschgarten, in dem Obst wächst, das mittels kleiner Brennerei zu Schnaps wird, da heißen die äußeren Begrenzungen linke und rechte Niere.

Die großen Werke aus dem Paradies sind erstmals in der Einzelausstellung bei Essl zu sehen, Kolig leitet vor Ort den Aufbau seiner Objekte, denen eines gemeinsam ist: Wie in dem alten SP-Slogan steht immer der Mensch im Mittelpunkt, meistens seine Sexualität. Es sind große Objekte, die spielerisch wirken, und auch ein Fitnesscenter zieren würden, wie Kolig selbst einräumt. Da gibt es ein Stepping-Gerät, hinter dem eine Kamera die Bewegung des Gesäßes und der Geschlechtsteile von hinten aufnimmt und auf den TV-Schirm des gegengeschlechtlichen Gegenübers überträgt. (In der Schau sind es die Videos von Arschbacken und Schweißtropfen, die in der Endlosschleife laufen.)

Die tretende Frau und den schwitzenden Mann trennt ein riesiges, mit Plastikrosen dekoriertes Kreuz; ein sakrales Element inmitten von Körper, Anstrengung und Sinnlichkeit? „Nein, das Kreuz ist einfach nur eine schöne Form.“ Genau so darf und soll der Besucher mit Koligs Objekten umgehen: direkt, mit Humor und ohne komplizierte Interpretationsversuche. Die mag Kolig ebenso wenig wie die Schubladisierung.

Die Bezeichnung Kärntner Aktionskünstler etwa lehnt Kolig gleich doppelt ab: Mit Kärnten und seiner Politik etwa wolle er nichts zu tun haben. Jahrelang hatten ihn die Freiheitlichen und später das BZÖ unter Jörg Haider persönlich angegriffen und diffamiert – Beschimpfungen wie „Fäkalkünstler“ und der Kulturkampf um die Kolig-Fresken im Klagenfurter Landhaus führten dazu, dass er Kärntens höchsten Kulturpreis mit einer Zange entgegennahm, um Haider nicht die Hand schütteln zu müssen.

Aber darüber wolle er gar nicht mehr reden. Und was ist an „Aktionskünstler“ so schlimm? Fallen seine auf kreuzförmigen Bänken arrangierten nackten Körper oder eine zum direkten Zugriff bereite Vagina – der Oberkörper ist von rotem Tuch wie von einem Bühnenvorhang verhüllt – nicht genau in diese so erfolgreiche österreichische Kategorie? Nein, er unterscheide sich etwa deutlich von Hermann Nitsch – näher sei ihm tatsächlich die frühe Valie Export: Dass Nitsch zu Kunstzwecken Tiere schlachten lässt, verstehe er bis heute nicht. Als einer, der auf einem Bauernhof aufwuchs, auf einem heute lebt und arbeitet. Nein, er sei nur ein Objektkünstler, damit – konkret mit Plexiglas-Kunst-Baukästen – habe er auch schon 1968 begonnen. Im kleinen Revolutionsjahr schrieb die „Presse“ über den damals 26-jährigen Enkel des Malers Anton Kolig und Neffen des ebenfalls bekannten Künstlers Franz Wiegele ganz unironisch und liebevoll: Er sei „ein fantasievoller Plauderer“.

Daran hat sich nichts geändert. Nur dass er vermutlich ebenso unironisch nicht wirklich etwas von hochtrabenden Interpretationen seiner Werke hält: Was ihm seine Furz-Musik bedeute und was dahinter stecke? Kolig schaut wieder aus dem Fenster und sagt lächelnd: „Das ist doch etwas Befreiendes, nicht?“

Apropos befreiend: Besser fühlt sich Kolig auch, wenn er gar nicht mehr über das Jörg-Haider-FPÖ–BZÖ spricht: „Das stört ihn nämlich am meisten. Sonst lebt er doch ewig.“ Nicht so lange wie Koligs Paradies.


© DiePresse.com