Kunstdiskurs | |
Documenta-Plattform 1 startet in Wien - vier Wochen Diskussionen um
"Demokratie als unvollendeter Prozess".
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Das Erdgeschoß der Akademie der bildenden
Künste in Wien gleicht einem universitären Camp, in dem man sich in
jeder Hinsicht darauf vorbereitet hat, detaillierte theoretische Debatten
auf hohem Niveau zu führen. Es wurde nicht bloß die Säulenhalle des
historizistischen Gebäudes in einen riesigen Vortragssaal mit
Simultan-Übersetzungskabinen umgewandelt. Zur Aufarbeitung der
Diskussionsbeiträge, die hier in den kommenden vier Wochen geboten werden,
hat der Künstler Heimo Zobernig gemeinsam mit seinen Studenten auch eine
Lounge mit Bibliothek eingerichtet. Ein schlichtes Bücherregal läuft dort die ganze Wand entlang. Jede
Menge Publikationen von Ökonomen, Soziologen und Kulturtheoretikern liegen
dort auf. Die Möblierung wurde aus Depots zusammengeholt und besteht aus
alten Sofas, Ohrensesseln oder gemütlichen Stühlen im Empirestil.
Studenten und andere Interessierte werden hier Interviews und Gespräche
mit den einzelnen Referenten führen können. Demokratie-Diskurs
Plattform Demokratie als unvollendeter Prozess reagiert Documenta-Leiter Okwui Enwezor auf eine der zentralen Fragen, die in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von politisch denkenden Künstlern aufgeworfen wurden. Deshalb, so erklärt er immer wieder, soll nun ein diskursiver Raum für dieses Thema eröffnet werden. Keinesfalls aber, so Okwui Enwezor, möchte er die Behauptung
aufstellen, dass künstlerische Arbeit eine Illustration von Theorie sei.
Doch im Rahmen dieser Documenta-Plattformen, die auch für Städte wie New
Delhi, Johannesburg, St. Lucia oder Berlin geplant sind, sollen der
gesellschaftspolitische Hintergrund und die lokal bestimmten Zusammenhänge
geklärt werden, vor denen Kunst heute entsteht. Kein direkter Österreich-Diskurs Dass in Wien die erste dieser Documenta-Plattformen über die Bühne
gehe, habe übrigens nichts mit den internationalen Diskussionen um die
österreichische Bundesregierung zu tun, betont Enwezor. Eine Debatte um
den aktuellen Stand der Demokratie müsse man auch in Bezug auf zahlreiche
andere Länder der Erde führen. Es hat auch einen praktischen Grund, dass die Wahl auf Wien als
Ausgangsort der Documenta gefallen ist. Denn das Institut für
Gegenwartskunst an der Akademie mit dem neuen Rektor Boris Groys bietet
auch eine entsprechende Infrastruktur. Außerdem ist die Leiterin Uta Meta
Bauer eine der Ko-Kuratorinnen der Documenta 11.
Die Vorträge Allein für den Eröffnungstag sind fünf prominent besetzte Vorträge
angesagt. Unter anderem sprechen der Wirtschaftshistoriker Immanuel
Wallerstein, die Sozialwissenschaftlerin Chantal Mouffe oder der Philosoph
Slavoj Zizek. Außerdem der in New York lehrende Philosoph Akeel Bilgrami.
Er konstatiert, dass der Begriff der Demokratie neu hinterfragt werden
muss und erinnert daran, dass Demokratie zur Zeit der Französischen
Revolution aus einer Massenbewegung entstanden sei. Heute jedoch stelle sich die Frage, ob nicht längst Widersprüche
zwischen dem Wunsch der Bevölkerung und den Institutionen aufgetreten
seien. Und vor allem die Frage danach, was der Wunsch der so genannten
breiten Masse bedeuten würde, so Bilgrami. Theorie-Debatte Eine spannende Debatte also dürfte zu erwarten sein. Spannend aber auch
die Frage, wie die teilnehmenden Kunststudenten solche Theoriepakete in
ihre Arbeit integrieren. Dass Documenta-Leiter Okwui Enwezor Kunst lediglich zu Belegstücken für
Theorie macht, dürfte kaum zu erwarten sein. Denn mit seiner zur Zeit in
München laufenden Ausstellung "The Short Century" hat er gezeigt, dass er
durchaus in einem klassischen Sinn auf die Stärke des einzelnen Werks
setzt. Link: Documenta 11 | ||||||